Corine Mauch, die Zürcher Stadtpräsidentin, fordert das kommunale Stimm- und Wahlrecht für Ausländer. Einzige Bedingung: zwei Jahre Wohnsitz im Kanton. Das klingt gut in Zeiten der Globalisierung, zumal für die Finanz-welt-City an der Limmat. Sogar die «Neue Zürcher Zeitung» kann sich für die Idee der Sozialdemokratin erwärmen. Der Titel des «NZZ» Kommentars: «Wer Steuern zahlt, soll mitbestimmen können».
Stimm- und Wahlrecht als Recht, das man mit Geld erwirbt? Käufliches Recht also? Das wäre die böswillige Interpretation einer guten Absicht. Corine Mauch geht es auch um Gerechtigkeit für ausländische Steuerzahler, vor allem aber geht es ihr um Integration – das Schlagwort der Schlagwörter für alle linken Anhänger der friedlichen Völkerwanderung.
Gibt es denn gar nichts einzuwenden gegen die linke und liberale Völkerumarmungs-Moral?
Doch, durchaus, gerade angesichts der Grenzenlosigkeit, die zunehmend alles Sein und Handeln der Menschen bestimmt, von Region zu Region, von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent. Schliesslich hat ohnehin alles Platz auf dem Smartphone, der ganze entfesselte Welt-Zeitgeist. Die Folgen sind bekannt: Nationalismus und Populismus, genährt durch Fremdenfeindlichkeit. Es gibt dafür einen Satz aus dem Munde vieler Bürgerinnen und Bürger: «Ich fühle mich hier nicht mehr zu Hause.» Lange hat man dieses Unbehagen verächtlich gemacht als Ressentiment der Abgehängten und deklassierte damit die Globalisierungsskeptiker als die Dümmeren, als uncoole Heimattümler.
Was soll das überhaupt heissen: Heimat?
Heimat war für die Kulturelite jahrzehntelang ein Unwort – bis die Rechtspopulisten damit Wahlen gewannen. Inzwischen darf man es auch in linksgrün-migrationsverliebten Kreisen wieder verwenden.
Heimat meint das Eigene. Die eigene Stadt zum Beispiel. Aber auch die eigenen Bräuche. Oder die eigene Geschichte. Und damit die eigene Kultur.
Die Leitkultur.
Heimat bedeutet vielerlei Vertrautes und ist ein diffuses Gefühl. Aber auch ein intimes, wie es sich unter anderem ausdrückt im «zu Hause sein». Wie alles Intime ist dieses Gefühl stark. Es kann sich leidenschaftlich bemerkbar machen: als Hinwendung oder Ablehnung.
Also alles nur Gefühlsduselei?
Die Vertreter der Globalisierungsvernunft sehen es gerne so. Und setzen ihre coole Sicht auf die rasenden Veränderungen der Verhältnisse dagegen – Verhältnisse, die nun mal hinzunehmen seien, weil es zu deren Abwehr ohnehin kein probates politisches Mittel mehr gebe.
Corine Mauchs Stimm- und Wahlrecht für Ausländer ist Ausdruck dieser Hinnahme: Wer da ist, wer dieses Da-Sein durch Steuerzahlen dokumentiert, der soll mitbestimmen, was im Haus geschieht, das er gerade bewohnt – was in Zürich zu gelten hat.
Bisher bestimmten die Schweizer Bürgerinnen und Bürger, was bei ihnen zu Hause gilt. Dieses Zuhause ist ihr Refugium in einer von Wellen und Stürmen der Globalisierung umtosten Zeit. Sollen sie ihr Recht als Hausherren künftig mit vorläufigen Bewohnern teilen?
Mit Airbnb-Bürgern?
Corine Mauch: «Knapp ein Drittel der Bevölkerung der Stadt hat kein Stimmrecht, bei den
30- bis 35-Jährigen – der grössten Altersgruppe – sind es sogar rund 50 Prozent.»
Eine sonderbare Argumentation: Je mehr Ausländer, desto dringender das Wahl- und Stimmrecht für sie. Was wäre, die Schweizer Bürger gerieten in die Minderzahl? Ein durchaus denkbares Szenario für eine Finanzmetropole mit höchster Lebensqualität.
Die Zürcher Politik, dominiert von Aufenthaltern?
Könnte es sein, dass das Wahl- und Stimmrecht für Ausländer noch vor zwanzig Jahren eine moderne, eine coole Idee war, heute dagegen eine Idee von gestern ist? In einer Welt der Verwerfungen hat das Eigene wieder grosses Gewicht, sehr grosses sogar: Es ist der kulturelle, historische, politische Besitz, den es zu bewahren gilt vor weltläufigem Zugriff – für sich selbst zu bewahren.
Für sich als Zürcher. Für sich als Schweizer.
Wer Mitbesitzer sein möchte, soll Schweizer werden.
Demokratie ist ein Zuhause. Demokratie braucht ein Zuhause.