Frank A. Meyer – die Kolumne
Calvin City

Publiziert: 01.09.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2024 um 11:44 Uhr
Foto: Antje Berghaeuser
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Frank A. MeyerPublizist

Liquidation der Parkplätze in der Stadt; Tempo 30 in der Stadt; begrünte Umweltstrassen in der Stadt.

«Bäume statt Autos» verkündet der «Tages-Anzeiger». Und weil das vielleicht nicht jeder sofort versteht, lässt das Zürcher Blatt noch eine Erklärung folgen. «Zürich entscheidet über Strassenabbau in grossem Stil.» 

145 000 Quadratmeter Asphalt sollen Bäumen und Wiesen weichen; weitere 462 000 Quadratmeter Fussgängern und Velofahrern zur Verfügung gestellt werden. So die Pläne der Stadtregierung für die nächsten zehn Jahre – ein Gegenvorschlag zu den grün-radikalen Begehren, die «Gute-Luft-Initiative» heissen oder einfach «Zukunftsinitiative». 

Zürich kämpft gegen das Auto – Zürich bekämpft das Auto. 

Im Auto allerdings sitzt meist jemand: eine Bürgerin, ein Bürger. Auf dem Weg zur Arbeit; auf dem Weg zum Einkauf; auf dem Weg, die Kinder zur Schule zu bringen; auf dem Weg ins Theater, ins Kino, ins Konzert; auf dem Weg zum Windowshopping in der Stadt. 

Das Auto – der Alltag des Volkes.

Das Volk lebt in den Aussenbezirken und Aussengemeinden, wo Wohnungen noch erschwinglich sind: Dreizimmerwohnungen in lieblosen Blocks und seelenlosen Überbauungen – Anlass zur Flucht mit dem Auto vor der Tür.

Das Auto – das Freiheitsvehikel des Volkes. 

Damit lebt es sich auch im unteren und mittleren Einkommenssegment einigermassen bequem: rasch mit dem Wagen weg, in die Stadt, aufs Land, in die Ferien!

Das Auto – die Sünde des Volkes.

Ja, Sünde! Denn wer sich des verpönten Fortbewegungsmittels bedient, pustet CO2 in die Luft – versündigt sich mithin gegen den Klimaschutz, gegen die Umwelt und Mitwelt, gegen das grosse Gebot der grünen Religion – der grünlinken Kirche, der man, ohne ungerecht zu sein, die Zürcher Stadtregierung zurechnen darf. 

Die Umweltprediger stellen in der teuersten City der Welt, in der für Normalverdiener selbst der Bratwurststand ein unerschwinglicher Ort ist, die Spitze der Kirchenhierarchie: Hier oben wird abgesegnet – vor allem und vorab der Kampf gegen das Auto.

Wer aber sind die Pfaffen der grünlinken Erweckungsbewegung? Sind es gelernte Schreiner, Metzger, Mechaniker, Pflegerinnen, Putzkräfte, Kellnerinnen, Coiffeusen – also Werktätige, Lohnarbeiterinnen?

Es sind Politolog*innen, Soziolog*innen, Genderforscher*innen, Akademiker*innen, beschäftigt mit der kulturellen Machtübernahme: an den Universitäten, in den Verwaltungen, in Expertengruppen, in den NGOs, in den Kirchen – subventioniert durch öffentliche Zuwendungen, finanziert durch Steuergelder.

Grünlinke – die Elite der Gesellschaft. 

Was ist ihr Kampf gegen das Auto? Der Kampf einer herrischen Elite gegen das Volk. Und was ist der Klimaschutz? Eine Frage von Sünde oder Rechtgläubigkeit, des Teufels oder des wahren Glaubens.

Die Antwort lässt sich mühelos ablesen an der Entscheidung für das alltägliche Fortbewegungsmittel: Auto oder öffentlicher Verkehr, Auto oder Lastenfahrrad, Auto oder zu Hause bleiben.

Zwingli-Zürich wird Calvin City.

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