War es eine Bombe? War es eine Boden-Luft-Rakete? Sass Jewgeni Prigoschin gar nicht in dem Jet, der am Mittwoch zwischen Moskau und Sankt Petersburg vom Himmel fiel?
Sogar dies wurde am Donnerstag in seriösen Grossmedien erwogen: der Absturz eines Flugzeugs samt allen Reisenden zwecks Verschleierung von Existenz und Aufenthalt des Anführers der «Wagner-Truppen», Russlands Privatarmee für Einsätze brutalster Art, unter anderem in der Ukraine.
Russland heute. Russland?
Putin!
Der Kriegsverbrecher, der nicht an einer internationalen Konferenz in Johannesburg teilnehmen konnte, weil er dort verhaftet worden wäre – der Alleinherrscher über das flächengrösste Land der Welt.
Ja, im Kreml herrscht ein Krimineller, gern auch als Mafiaboss bezeichnet, was wiederum die Mafia beleidigt. Um ihn herum wieseln liebedienerisch weitere Kriminelle, vom Diktator, der immer noch Präsident genannt wird, zum Geldadel erhoben, also zu Oligarchen gemacht – wenn nicht durch Giftmord und Attentat beseitigt. Unter Mördern Mörder zu sein, ist mörderisch. Das wusste auch Prigoschin, der einst einen kampfunwilligen Soldaten mit dem Vorschlaghammer erschlagen liess.
Für Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, war Prigoschin «ein Teufel, der sich mit dem Teufel einlässt».
Teufel Putin.
Mit Putin ist das Böse in der Welt – die russische Militärmaschine, die gerade dabei ist, das Nachbarland Ukraine auszulöschen, weil es sich auf den Weg gemacht hat, eine westliche Demokratie zu werden.
In diesem kriegerischen Geschehen beteuert die Schweiz ihre Neutralität. Sie will, so das Prinzip dieser Enthaltung, keine der Kriegsparteien durch Waffenlieferungen bevorteilen. Sie ist das Weltkind in der Mitten.
Mitten im Morden dieser Welt.
Gibt es diese Mitte überhaupt? Dieses Abseitsstehen mittendrin? Diese Neutralität?
Wem hilft die Schweiz durch Verweigerung sogar indirekter Waffenlieferungen? Niemandem, wie sie entgegen jeder Logik behauptet? Wer dem Land, das sich verteidigt, nicht gegen den Aggressor hilft: wer Selenski nicht zu Hilfe eilt gegen Putin – der hilft Putin.
Die Schweiz hilft Putin.
Wobei hilft sie Putin? Nehmen wir zum besseren Verständnis ein Beispiel aus der Schweizer Geschichte. Ein fiktiv-konkretes Beispiel, das manche Schweizer einst wohl gar nicht so fiktiv fanden: das Beispiel des Tessins, dieser wunderbar sonnenverwöhnten Krim der Schweiz, die Mussolini so gerne seinem faschistischen Italien zugeschlagen hätte, wofür er bereits eine Karte mit der Landesgrenze am Gotthard hatte zeichnen lassen. Hätte die Schweiz das Tessin des lieben Friedens willen preisgeben sollen? Sie musste die Frage gottlob nicht beantworten. Auch nicht die Frage nach dem Kanton Schaffhausen, der doch provozierend ins Reichsgebiet von Nazi-Deutschland hineinragte – ein Gau wie gemacht für Grossdeutschland.
War die Schweiz in den Augen des Nazi-faschistischen Europa überhaupt eine Nation? Oder doch nur ein Stück Deutschland, ein Stück Frankreich, ein Stück Italien? Die Schweiz wusste damals, um was es ging, so ganz allein mittendrin – und war zu allem entschlossen.
Die Willensnation.
Die Ukraine will Nation bleiben. Mitsamt Tessin und Schaffhausen. Für die Schweiz wäre es an der Zeit, die Zeichen der Zeit zu erkennen – und Solidarität zu üben:
Von Willensnation zu Willensnation.