Armutszeugnis

Publiziert: 09.03.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2025 um 09:18 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Was sagt der Satz: «Fuck you, Mr. Trump»? Sagt er überhaupt etwas? Die vier Wörter schleuderte Cédric Wermuth dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump entgegen: die Schleuder Davids gegen das Grossmaul Goliath – für den SPS-Präsidenten lässt sich aus seinem Fluch kaum ein schöneres Heldenbild destillieren.

Doch was bedeutet Wermuths Reaktion auf Trumps Beschimpfung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski wirklich?

Sprachlosigkeit.

Dem Genossen an der Spitze der Genossen ist nichts eingefallen als infantiles Imponiergehabe: «Fuck» – das Schlüsselwort jugendlicher Vulgarität, zu hören von morgens bis abends aus dem Mund pubertärer Aufschneider, die sich den Anschein von Revoluzzern geben wollen.

Der Rülpser einer Generation!

Hingespuckt vom Präsidenten der Schweizer Sozialdemokraten, der sich in der Pflicht sehen müsste, die historisch bedeutendste Partei der Schweiz politisch anzuführen, sie intellektuell zu inspirieren, ihr die Richtung vorzugeben, gerade in entscheidenden Momenten.

Der Freitag letzter Woche war solch ein Moment – der entscheidendste seit Jahren.

Es hätte der Anlass sein können, sein müssen für eine wegweisende politische Aussage – für eine Erklärung dessen, was in Washington gerade geschehen war. Im Scheinwerferlicht der Weltmedien ereignete sich in Washingtons Oval Office das Ende von etwas ganz Grossem – der westlichen Gemeinschaft zwischen Europa und Amerika.

Dem SPS-Präsidenten jedoch fiel zu diesem fürwahr atemberaubenden Vorgang lediglich die Formel «fuck you» ein – ein erschütterndes Armutszeugnis für die einst kulturell grossartige Arbeiterpartei, die den Bürgerinnen und Bürgern in geschichtlich dramatischen Augenblicken immer wieder befreiende Einsichten zu vermitteln wusste.

Die der Bürgerschaft Sprache gab.

Sprache ist Befreiung, wenn sie das, was sich ereignet, greifbar macht – begreifbar, weil sie die Aktualität mit Hintergrund versieht und ihr damit historische Dimensionen verleiht. In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» war am Dienstag aus der Feder des Historikers Heinrich August Winkler zu lesen, wie Trumps Ausfälligkeit aus dem Blickwinkel der amerikanischen Geschichte einzuschätzen ist – und wie sich diese rebellische Geschichte unterscheidet von Europas Entwicklung im Geiste der Aufklärung.

Heinrich August Winkler ist Sozialdemokrat. Cédric Wermuth sein Schweizer Genosse.

«Fuck you, Mr. Trump» – die linke Schweizer Antwort auf den rechten US-Berserker.

Aber ist es nicht unfair, in solch dramatischen Stunden und Tagen von einem Parteifunktionär eine erhellende Rhetorik zu erwarten, ja zu fordern – Worte der Erklärung, Worte der intellektuellen Durchdringung? Nein, von einem sozialdemokratischen Parteipräsidenten ist das keineswegs zu viel verlangt. Denn er führt die Partei der Büchergilde Gutenberg, die Partei der Volkshochschule, die Partei der Arbeitermusik, die Partei der Heimatfreunde, die Partei der Volkshäuser – Trutzburgen der Bildung.

Er führt die Partei des Wissenwollens!

Genau diese Aufgabe erfüllte die SPS über Generationen hinweg: als Bildungspartei der bürgerlichen Gesellschaft.

Die Schweizerische Arbeiterpartei begnügte sich nie mit Sozialpolitik. Ihr Anspruch an die Demokratie war weiter und ging tiefer. Sie verstand sich als Werkstatt der Emanzipation ihrer Klasse – als kulturelle Heimat der werktätigen Bevölkerung. Und damit als politische Heimat des fortschrittlichen Bürgertums.

Oh ja, Gendern ist wichtig, Queerness ist richtig, und das Geld der alten weissen reichen Männer gehört den Armen im globalen Süden – man kann der Gesellschaft gar nicht genug dieser neuen Begriffe eintrichtern. Sie prägen die Parolen einer akademisch-anmassenden Links-Elite.

Trump macht sie sprachlos.

Wie Wermuth.

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