Ich dachte, ich müsste Ihnen schon wieder von der Türkentaube erzählen. Oder schon wieder über das Wort schimpfen, das ich nicht mag und das ich nicht mal mehr schreiben kann. Kurz dachte ich daran, über den Rhabarberkuchen meiner Mutter zu schreiben. Gott, dieser Rhabarberkuchen! Mama? Hast du heuer schon einen gemacht? Mürbeteig, oben Pudding, süss-cremig, und dann dieser rot-pinke, eher säuerliche Rhabarberguss. Mhmm.
Doch dann fahren wir mit dem Velo in die Innenstadt etwas abholen. Die Sonne wärmt meinen Rücken, ich geniesse dieses «kurz etwas abholen». Gerade als ich darüber klöne, dass ich kein Thema für die Kolumne habe, weil ich ja nichts erlebe, wechselt die Ampel auf Rot. Meine Begleitung ist bei Tief-Orange durchgezogen. Ich bleibe zurück.
Vor mir eine Tramhaltestelle, ein Polizist, ein Feuerwehrwagen und zwei Männer in weissen Ganzkörperschutzanzügen. Ich denke zuerst an Corona, was sonst. Entdecke dann aber ein Holzkistchen. Imker! Auf dem Häuschen der Haltestelle hat sich ein Bienenschwarm festgesetzt. Von weitem sieht er aus wie ein riesiger Kuhfladen. Die Männer versuchen den Schwarm zu entfernen, überall schwirren Bienen in der Luft. «Gilt das Versammlungsverbot nicht auch für Bienen?», scherzt meine Begleitung, die mittlerweile umdrehte, um zu schauen, wo ich bleibe. Ein Bienenschwarm in der Zürcher Innenstadt, das gibt es nicht alle Tage.
«Jetzt hast du was für deine Kolumne!» – «Ja! Unser Leben steht still, und die Bienen erobern die Stadt!» – «Das kannst du doch nicht einfach so schreiben?» Zu Hause rufe ich Martin Schwegler vom Verband Bienenschweiz an. «So einfach ist das nicht», sagt auch der Imker. Es sei eine relativ neue Entwicklung, dass Honigbienen in der Stadt gehalten werden. Schwegler sagt: «Die Biodiversität in der Stadt ist häufig besser als auf dem Land.» Die Städte in der Schweiz seien sehr grün. Die Haltestelle, so glaubt Schwegler, sei für den Schwarm nur ein Zwischenstopp. Sogenannte Spurbienen würden eine definitive Bleibe suchen. «Ich nehm nicht an, sie wollten das Tram nehmen», sagt Schwegler und lacht.
«Aber das gibt es sonst doch nicht, mitten in der Stadt?», frage ich noch mal. Es liege schon nahe, dass sie an einen Ort gehen, der nicht hoch frequentiert ist, an dem sie nicht gestört werden. Also etwa an eine Tramhaltestelle in Zeiten von Corona. Also doch bizli Rückeroberung!