Fix zur Gesellschaft
Schneider und die Duftkerze

Duftkerzen haben Hochsaison. Unsere Autorin zündet ein weihnachtliches Kerzlein auf ihrer Zugfahrt an – und wartet ab. Dann lernt sie Herr Schneider kennen.
Publiziert: 23.12.2018 um 12:48 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 11:06 Uhr
Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin.
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Ich mache ein Experiment: Wie reagiert der Kondukteur und vor allem wie reagieren die Passagiere, wenn ich im Zug ein weihnachtliches Duftkerzli anzünde. Kaum getan, dreht sich schon der ältere Herr vom Vierersitz vis-à-vis um:



«Stinkt das so?»

«Wie meinen Sie?»

«Diese Kerze da!»

«Ja, es ist eine Duftkerze.»

«Machen Sie die aus, sie stinkt fürchterlich!»

«O. k.», sage ich und gebe mich geschlagen. Aber meine Gedanken sind frei: Griesgrämiger alter Mann, auch wenn die Kerze penetrant riecht, kaschs imfall au aständig säge. Da blickt er wieder herüber und fängt milde an:
«Letzte Woche war ich im Einkaufscenter in Oftringen, da stand vor mir eine Frau an der Kasse und kaufte zehn solcher Kerzen. Zehn! Ich fragte sie, ob sie alle für zu Hause sind. Sie sagte, Ja und dass ihr Mann deswegen ausgezogen sei.»«Jesses!»

«Ich mag diese penetranten Geschmäcker nicht. Die 
Frauen immer mit ihrem 
Insektenspray!»

«Insektenspray?»

«Ja, Deos und Parfüms.»

«Benutzen Sie denn kein Deo?»

«Doch. Aber ein dezentes. 
Gerade musste ich mein Deo aus dem Coop wechseln, das riecht nicht mehr gleich. Ich brachte es zurück, die Verkäuferin gab mir recht. Jetzt habe ich eines im Aldi gefunden. Ich bin kein Aldi-Gänger, aber gute Deos haben sie.»

«Aha.»

«Mein Freund, der hat eine Thai als Frau. Gestern rief 
er an, dass er den Essensgeschmack nicht aus der Wohnung bekommt. Heute roch 
es noch schlimmer. Der Reis sei ihr angebrannt im Reis­kocher, nun rieche es verbrannt. Sie sei unterwegs, 
um einen neuen zu kaufen.»

«Sie sind aber heikel bei 
Gerüchen.»

«Gar nicht meins, dieses 
Essen. Uns seins eben auch nicht.»

«Dann soll er doch selber kochen, Ihr Freund.»

«Fahren Sie nach Zürich?»
«Ja genau.»

«Beim Bürkliplatz gibt es ­einen Pavillon, wo man tanzt.»
«Tanzen Sie denn?»

«Ja, ja, ich tanze Jive. Aber die Tänzerinnen da sind nicht so gut.»

«Ach, und die Männer da tanzen alle gut?!»
«Ja, und die Frauen laden 
einem nicht zum Kafi ein.»

«Hä?»

«Ja, nie lädt einem nach dem Tanzen eine Frau zum Kafi ein. Den Kafi braucht es für die trockenen Krömli.»
«Achso. Vielleicht sollten Sie mal zu Kafi einladen?»

«Manchmal trinken wir auch ein Bier im Bauschänzli. ­Letztens hatte ich in Basel 
ein Schneider Bier. Ich heisse eben Schneider. Wie der ­Bundesrat aus Langenthal. Aber jetzt hört er ja auf.»

«Ja, ist Zeit.»

«Ja, der hat fest gealtert in letzter Zeit.»

«Müssen Sie nicht in Olten raus?»

«Oh, ja! Vielleicht sehen wir uns mal in Zürich.»

«Vielleicht, frohe Weihnachten!»

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