Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist ein Widerstreit zwischen Zuversicht und Pessimismus.
Zuversichtlich hörte sich etwa der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn an, als er im Dezember verkündete: «Es gibt gute Chancen, dass wir in zehn bis zwanzig Jahren den Krebs besiegt haben.»
Ein noch grösserer Optimist ist David A. Sinclair. Der Professor für Genetik an der Harvard Medical School in Boston (USA) hat kürzlich ein Buch mit dem Titel «Das Ende des Alterns» publiziert. Sinclair schreibt: «Es dauert nicht mehr lange, bis wir den Tod immer weiter in die Zukunft verschieben können.»
In den letzten Jahren tauchte die Formulierung «ewig leben» in den Zeitungen so häufig auf wie nie zuvor.
Nun aber kommt Corona. Mit der Krankheit Covid-19 gewinnt der Pessimismus jäh die Oberhand. Ihr Auftauchen ist umso niederschmetternder, als es sich bei Coronaviren im Grunde um etwas höchst Banales handelt. Herkömmliche Vertreter dieser Art sind verantwortlich für harmlose Leiden wie Nasen- und Bindehautentzündungen, sehr selten gibt es eine Bronchitis.
Mit Sars und Mers hat die Coronafamilie allerdings schon zwei Mal gezeigt, dass sie auch anders kann. Sars machte vor 17 Jahren über 8000 Menschen krank und tötete 900. Bei einem Ausbruch von Mers 2015 in Südkorea kamen auf 182 Ansteckungen 36 Tote.
Die Coronakrankheiten Sars und Mers haben ausserdem deutlich gemacht, dass nichts gefährlicher ist als ein schlecht geführtes, unterfinanziertes Spital. Bei einer Epidemie wird aus einem Ort der Heilung und der Zuversicht rasch ein Epizentrum des Todes.
Beim Sars-Ausbruch von 2003 mutierte eine Klinik in der kanadischen Stadt Toronto zum Seuchenherd. Hauptleidtragende waren die Mitarbeitenden: Über 100 Angestellte wurden mit Sars infiziert. Und von den 182 Mers-Patienten in Südkorea hatten sich 150 ebenfalls in Krankenhäusern angesteckt.
Ein Spital steht vermutlich auch am Anfang des Ausbruchs von Covid-19 in Europa. Das Ospedale Civico der Kleinstadt Codogno südöstlich von Mailand soll einen Corona-Patienten ohne weitere Vorkehrungen nach Hause geschickt und damit massgeblich zur Verbreitung des Virus beigetragen haben. Derweil steht das Unispital in Köln im Verdacht, dass sich ein Besucher dort mit dem Coronaerreger infiziert hat.
Die Bekämpfung gefährlicher übertragbarer Krankheiten ist eine zentrale und althergebrachte Staatsaufgabe. Lange vor der Gründung des Bundesstaates unterhielt jeder Kanton eine «Medinizalpolicey». Covid-19 führt uns heute wieder vor Augen, wie wichtig ein funktionierendes öffentliches Gesundheitswesen ist – und wie sehr der Staat dieser Infrastruktur und dem medizinischen Personal Sorge tragen muss.
Kann die heutige «Medinizalpolicey» ihre Aufgabe erfüllen? Falls nicht, erleben wir in den kommenden Wochen Panik, bringt uns das neue Coronavirus unnötiges und lang anhaltendes Leid. Falls doch, dürften viele von uns zwar immer noch grosses Leid erfahren. Aber die Optimisten werden bald schon wieder das Sagen haben und die Menschheit von der Unsterblichkeit träumen lassen.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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