Editorial über Politstar Sahra Wagenknecht
Der Fetisch aus dem Osten

Die deutsche Links-Politikerin geniesst Kultstatus. Das Grossbürgertum hängt ihr an den Lippen, auch in der Schweiz. Weshalb eigentlich?
Publiziert: 08.09.2024 um 09:06 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2024 um 09:40 Uhr
Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Ein Gespenst geht um in Europa. Das Gespenst heisst Sahra Wagenknecht. Und war früher mal ein Schreckgespenst – für Konservative, für Sozialdemokraten, für das bürgerliche Establishment.

Wagenknecht weinte, als 1989 ihr Heimatland DDR unterging, im wiedervereinigten Deutschland trat sie der Kommunistischen Plattform bei und verharmloste 1992 in einem Artikel die schlimmsten Jahre der Sowjet-Diktatur: «Was immer man gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren die Entwicklung eines um Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Grossmacht.»

Von Stalin wechselte sie zu Putin. Am 3. Februar 2022 erklärte sie auf ihrem Youtube-Kanal wortreich, weshalb der russische Präsident nie einen Krieg gegen Kiew starten werde. Drei Wochen später überfielen Putins Truppen die Ukraine. 

Doch Wagenknecht manövrierte sich mit solchen Positionen keineswegs ins Aus, ganz im Gegenteil: Der Klassenfeind liebt sie. Vielleicht, weil niemand sonst so scharfzüngig und Talkshow-tauglich die Cüpli-Sozialisten tadelt, ob in der Migrations-, Gender- oder Bildungspolitik.

Auch hierzulande ist dieser Rosa-Luxemburg-Verschnitt eine gefeierte Salondame. Auf ihrer Website führt Wagenknecht ihre gut bezahlten Engagements auf, genüsslich verbreitet vom Portal «Inside Paradeplatz» – zum Beispiel einen Auftritt als «Keynote-Rednerin» am Anlagesymposium der Vermögensverwalterin Swiss Rock Asset Management im Jahr 2022. Gage: 10'000 Euro. Oder einen Vortrag beim Efficiency Club Zürich für 4042 Euro. 2023 erhielt sie vom Zürcher SMH Verlag, der den libertären «Schweizer Monat» herausgibt, 9985 Euro für die Teilnahme an einem Supporter-Anlass. 

Wagenknecht ist so etwas wie das Che-Guevara-T-Shirt der schlipstragenden kapitalistischen Elite.

Anfang Jahr gründete sie eine Partei und benannte sie nach sich selbst. In Thüringen und Sachsen gehörte das Bündnis Sahra Wagenknecht letzte Woche zu den Wahlsiegern. Der Hauskolumnist der «Bild»-Zeitung erhebt sie ehrfürchtig zur «Königin». Bereits redet die CDU von einer Koalition auf Länderebene. Wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, dass die Partei Konrad Adenauers das Bündnis mit einer Hammer-und-Sichel-Nostalgikerin erwägt. Gespenstisch.

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