Editorial über die Krise auf dem Kontinent
Wird ein Kennedy zum Problem für die Schweiz?

Der Industriestandort Westeuropa gerät in Schieflage. Mittendrin die Schweiz, deren Infrastrukturpolitik kaum vom Fleck kommt. Helvetiens Hoffnungen hängen an der Pharmabranche. Weshalb eine Personalie in Washington zum Problem werden könnte.
Publiziert: 00:02 Uhr
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Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Es ist Herbst – Lichtzauber, goldene Wälder und Nebelmeer, Indian Summer.

Der Herbst ist auch eine Zeit des Übergangs – ins Dunkel. Man spricht vom Herbst, wenn sich etwas seinem Ende nähert, zum Beispiel vom Herbst des Lebens. Auch Westeuropas Industrie droht gerade ihren Herbst zu erleiden: die taumelnde deutsche Automobilproduktion. Die Massenentlassung in der Schweizer Stahlverarbeitung. Die helvetische Solarherstellung auf der Kippe. Es herbstelt allenthalben.

Herbst bedeutet Erntezeit: Die deutschen Automanager ernten für ihre schweren strategischen Versäumnisse. Die Bosse von Volkswagen, BMW und Mercedes haben den E-Auto-Boom in China verpasst. In den Strassen von Downtown Shanghai hört man kaum noch Verbrennungsmotoren. Automobilisten fahren dort Wagen mit Stromantrieb aus heimischer Produktion. Und die daraus folgende Herbststimmung im kriselnden Deutschland hat sich bis in die Schweiz ausgebreitet. 800 Stellen weniger bei Swiss Steel. Meyer Burger vor der Insolvenz.

Als obs kein Zufall wäre, herbstelt es auch in der Schweizer Strassenverkehrspolitik. Die Mehrheit für einen Autobahnausbau ist ungewiss. Der erfolgsverwöhnte Albert Rösti zittert vor einer Niederlage am nächsten Sonntag und warnt vor Verlotterung der Infrastruktur – die Ernte für politische Selbstüberschätzung und mangelndes Gespür. Der Tessiner Stimmbürger fragt sich, wozu er einen Tunnel in Schaffhausen mitfinanzieren soll. Der Ostschweizer möchte wissen, was ihm eine dritte Spur bei Bern bringt. Und sind die vielen Staus nicht sowieso Folge einer Einwanderung, die man selber gar nicht wollte? Dort hätten Röstis Leute ansetzen müssen.

Angesichts der Schieflage in Europa weisen EU-Kritiker gerne auf die USA, die Deutschland als wichtigsten Absatzmarkt für Schweizer Exportgüter abgelöst haben. Den grössten Teil davon machen Pharmaprodukte aus. Der kommende US-Präsident Donald Trump will nun mit Robert F. Kennedy einen Impfgegner, Verschwörungstheoretiker und erklärten Feind von «Big Pharma» zum Gesundheitsminister machen. Wird Kennedy zum Herbstboten für die hiesige Pharmabranche?

Hoffen wir auf einen baldigen Frühling.

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