Der deutsche CDU-Politiker Volker Bouffier entspricht nicht unbedingt dem vorherrschenden männlichen Schönheitsideal. Als er 2010 hessischer Ministerpräsident wurde, publizierte das Satire-Magazin «Titanic» ein sehr unvorteilhaftes Foto des 70-Jährigen mit dem Satz: «Wie sexy darf Politik sein?»
Die fiese Aktion provozierte Lacher und Buhrufe zugleich, vor allem aber machten sich die Humoristen mit ihrer Verdrehung ins Absurde über einen Trend lustig, der bis heute anhält: Politik wird zum glatt polierten Public-Relations-Produkt, Politiker werden zu professionell aufgemotzten Fassadenträgern, die möglichst makellos und kontrolliert ihre Inhalte feilbieten. In der geölten Maschinerie mit Lobbyisten, Medientrainern und Spin Doctors wird der Wähler zum Konsumenten, die Stimmbürgerin zur Kundin.
Diese Entwicklung schreitet auch hierzulande voran: Obwohl es nicht Zweck des Bundesrats ist, beliebt zu sein, gaben die sieben Departemente und die Bundeskanzlei gemäss Staatsrechnung 2021 insgesamt 118,8 Millionen Franken für Öffentlichkeitsarbeit aus. Das entspricht 12 Prozent mehr als im Vorjahr und ist neuer Rekord. Was den Magistraten zu denken geben müsste: Trotz aufgeblähtem Kommunikationsapparat gibts von der Bevölkerung schlechte Noten. Knapp zwei Drittel glauben nicht mehr daran, dass die sieben als Team funktionieren, wie die SonntagsBlick-Bundesratsumfrage ergibt.
Fairerweise sei erwähnt, dass das grösste Wachstum Alain Bersets Gesundheitsdepartement verzeichnete, das in der Pandemie 23 Millionen Franken für Covid-Kampagnen springen liess. Dafür wurde allerdings anderes zurückgestellt. Vor allem verzeichnete – mit Ausnahme von Guy Parmelins Wirtschaftsdepartement – jede Abteilung einen Kostenschub, was kaum mit der Seuche zu erklären ist.
Aufschlussreich sind die unterschiedlich grossen Budgets für die klassische Presse- und Informationsarbeit: Ueli Maurers Finanzdepartement hat 2021 mit 2,1 Millionen am wenigsten ausgegeben, Simonetta Sommarugas Infrastrukturdepartement mit 5,2 Millionen am meisten. Vergleicht man dies mit den Ergebnissen des Ratings, fällt etwas auf: Die Popularität der Regierungsmitglieder scheint keinen Zusammenhang mit dem staatlichen PR-Aufwand zu haben.
Kann man daraus den schönen Schluss ziehen, dass sich das Volk nicht kaufen lässt? Sind das Hauen und Stechen hinter der Regierungskulisse, die mediale Inszenierung von Auslandsreisen und die Intrigen gegen Bundesratskollegen gar nicht entscheidend für die Gunst des Souveräns? Ziemlich sicher jedenfalls – auch das ergibt sich aus der Erhebung – sehnt sich Helvetien weniger nach einem geschliffenen Rhetoriker wie Emmanuel Macron oder Robert Habeck. Bern hat mit Bundeskanzler Walter Thurnherr bereits einen Hinterzimmer-Cicero, der sich in den Medien gerne rar macht und hin und wieder mit seinen Reden auftrumpft.
Schweizerinnen und Schweizer verlangen, gemäss den vorliegenden Resultaten, wohl vor allem Verlässlichkeit und Echtheit. Die stets seriös, zuweilen trocken auftretende Karin Keller-Sutter und der unprätentiöse Guy Parmelin scheinen diese Eigenschaften bei den Leuten zu verkörpern. Schlusslicht Ignazio Cassis hingegen steht mit seinem mäandrierenden Politstil – Europa, Ukraine, Sanktionen – für das Gegenteil von Geradlinigkeit. Und Simonetta Sommaruga tritt immer smart und fehlerfrei auf, was aber nicht zwingend authentisch wirkt. Ihr öffentliches Image erinnert an einen Neubau von Tilla Theus: Durchaus stilvoll und in sich stimmig, aber irgendwie kühl.
Dass Dölf Ogi der mit Abstand beliebteste alt Bundesrat ist, überrascht daher kaum. Der Berner Oberländer wusste seine Botschaften rührend direkt und einfach zu vermitteln. Die Leute nahmen es ihm ab. Der Ogi-Kult ist auch die Sehnsucht nach einer Politik ohne PR-Zirkus.
Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen Reza Rafi