Editorial über den grassierenden Bürokratenwahn
Amtlich bewilligte Kleinkrämerei

Ursula von der Leyen liess sich in Solothurn die Haare schneiden. Was dann folgte, sagt viel über die Mentalität des Staates aus.
Publiziert: 26.01.2025 um 09:07 Uhr
Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Für die Diagnose zum Zustand eines Landes reicht manchmal ein Coiffeurbesuch. So wie diese Woche geschehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machte auf ihrem Weg ans WEF in Davos einen Zwischenstopp bei ihrem Friseur Mehdi Delaram in Solothurn. Die mächtigste Politikerin des Kontinents macht sich an der Aare die Haare schön – eine sympathische Geste der Deutschen, eine kleine Anerkennung für Solothurn und ein Coup für den Figaro.

Also alles in Minne? Mitnichten. Das kantonale Arbeitsamt erwies sich als humorlos und hat flugs eine Untersuchung gegen den Friseur in die Wege geleitet. Grund: Die magistrale Styling-Aktion ereignete sich – Skandal! – an einem Sonntag. «Unsere entsprechenden Abklärungen laufen noch», rapportierte der Chef der behördlichen Partycrasher im Blick.

Nun hätte die Episode das Zeug zum Fasnachtssujet, als Offenbarung einer Seldwyla-Schweiz, die mit beachtlicher Zähheit dem gesellschaftlichen Fortschritt trotzt. Doch steht die Kleinkrämerei für eine um sich greifende Bürokraten-Mentalität, wie sie in Brüssel und Berlin bereits viel weiter gediehen ist und das Wirtschafts- und Privatleben der Bürger erschwert. Die Ergüsse der europäischen Schreibtischarmada tragen dann Bandwurmnamen wie Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – und sind Wasser auf die Mühlen der Schweizer EU-Gegner. Doch Staatsausgaben und Regulierungen steigen auch hier.

Am Koloss aus Verordnungen, Richtlinien und Gesetzen bauen jedoch viele mit. Lästig sind uns Regeln nur dann, wenn sie uns nicht nützen – der Staat, das sind wir alle. Und liberal ist jede und jeder, solange es nicht wehtut.

Umso bemerkenswerter erscheinen die Signale des frisch angetretenen US-Präsidenten. Tech-Guru Elon Musk soll für Donald Trump ein «Ministerium für Regierungseffizienz» leiten, um den Wildwuchs des Zentralstaats einzudämmen. Ob die Massnahme nur Populismus ist oder etwas bringt, wissen wir spätestens in einem Jahr, wenn Trump vielleicht persönlich ans WEF kommen wird – und hoffentlich keinen Coiffeurbesuch plant.

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