Editorial über das Urteil gegen den Ex-Präsidenten
Trump und die Klima-Grosis

Wie auch immer man den Schuldspruch gegen Donald Trump deutet – die zunehmende Vermischung von Gesetzgebung und Gerichten ist Zeichen eines überforderten politischen Systems.
Publiziert: 02.06.2024 um 11:42 Uhr
1/2
In 34 Punkten schuldig: Donald Trump.
Foto: Getty Images
Bildschirmfoto 2024-04-02 um 08.40.24.png
Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

In allen 34 Punkten schuldig. Das am Donnerstag gefällte Urteil eines New Yorker Gerichts gegen Donald Trump wird unisono als «historisch» gewertet, ein Zusatz, der sonst inflationären Gebrauch findet, aber in diesem Fall – darin sind sich für einmal alle einig – seine Gültigkeit hat. Trump soll Bücher seiner Firmen gefälscht und versucht haben, die Wahlen 2016 zu manipulieren.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist ein ehemaliger Präsident strafrechtlich verurteilt worden; der Kandidat der Republikaner ist nun ein «convicted felon», ein Schwerverbrecher. Was das politisch bedeutet, ist für Aussenstehende schwierig zu beurteilen; aus 6000 Kilometern ist jede Einschätzung sowieso nur ein Fischen im Trüben. Wer den Meinungsführern in Übersee zuhört, stellt einzig eine erschreckende Spaltung der Gesellschaft fest. Die bekannte Historikerin Heather Cox Richardson frohlockt: «Das ist Amerika. Das sind wir. Und das werden wir immer sein, so Gott will.» Das US-Justizsystem sei zu respektieren, «und wir sollten niemals zulassen, dass jemand es zerstört». Der legendäre Strafverteidiger und Harvard-Jurist Alan Dershowitz hingegen stuft das Gerichtsverfahren als rechtsstaatliches Versagen ein.

Das Urteil werde die politische «Aufrüstung» der Justiz weiter befeuern, warnt er. Da hat Dershowitz einen Punkt, markiert der Fall doch eine Entwicklung, die ganz unabhängig von Ort und Ideologie zu beobachten ist: Gerichte scheinen zunehmend zum Faktor in politischen Auseinandersetzungen zu werden. Vielleicht liegt das an Richtern, die der Versuchung der Macht anheimfallen. Vielleicht liegt es an gewieften Akteuren, die das Rechtssystem für ihre Ziele zu nutzen wissen. Bestes Beispiel für die Vermischung zwischen Gesetzgebung und Gerichten ist der Erfolg der Klima-Seniorinnen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg: Was auch immer man vom Verdikt hält – wenn Richter in die Politik eingreifen, ist das ein Zeichen eines überforderten politischen Systems. Die zweifelhaften Vorreiter kommen – auch in dem Bereich – aus Amerika.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?