Editorial über das neue Kräfteverhältnis in Bern
Der Fluch der Genossen

Auch wenn es in der SP keiner zugeben wird: Die linke Volkspartei hadert mit ihren Vertretern in der Landesregierung. Beat Jans und Elisabeth Baume-Schneider werden von der bürgerlichen Konkurrenz überrollt. Das war schon einmal ganz anders.
Publiziert: 13.10.2024 um 10:17 Uhr
Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Bei der Rede zu seiner Wahl in den Bundesrat setzte Beat Jans ein bemerkenswertes Zeichen: Er sprach davon, dass er seiner «Chefin» verpflichtet sei. Und meinte damit die Schweizer Bevölkerung.

Hat seine Chefin zehn Monate später Grund zur Zufriedenheit?

Jans scheint wenig greifbar. Wirklich viele Stricke zerrissen hat er nicht. So sitzt der bekennende Euroturbo als Justizminister zum Beispiel im Europa-Ausschuss der Landesregierung. Doch Impulse auf diesem Gebiet nimmt die Öffentlichkeit von ihm nur wenige wahr. Stattdessen prägen Bundespräsidentin Viola Amherd und Aussenminister Ignazio Cassis das EU-Dossier.

In der Flüchtlingspolitik hat es sich Jans mit vielen verscherzt. Dass ihn Parlamentarier aus allen Lagern kürzlich per Brief für seine Kommunikation kritisierten, spricht Bände. Nun vollzieht der Bund unter seiner Ägide einen Paradigmenwechsel und schickt Kriminelle zurück nach Afghanistan, wie Blick-Recherchen zeigen – ausser Jans hat das in Europa bislang nur Berlin geschafft. Vielleicht führt das zu grösserem Wohlwollen der Bürgerlichen – er riskiert aber auch den Zwist mit Parteikollegen.

Tonangebend im Siebnergremium scheinen FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter und der SVP-Infrastrukturminister zu sein. Im Bundesrat trennt ein Albert-Rösti-Graben die linken Underdogs von der bürgerlichen Mehrheit, die munter die Projekte des Uvek-Vorstehers von Autobahnen bis AKW vorantreibt.

Und Elisabeth Baume-Schneider? Der Schwarznasenschaf-Effekt ist verpufft. Durch ihren Adhoc-Wechsel ins Innendepartement ist sie mitverantwortlich, dass sich Kollege Jans mit dem undankbaren Asyldossier herumschlagen muss. Jetzt probt sie den Spagat zwischen ihrer Partei und dem sozialpolitischen Reformdruck. Das Nein der Stimmbürger zur BVG-Vorlage, bei der sie gegen ihre Genossen unterlag, war ein Vorgeschmack für den Urnengang über die Gesundheitsvorsorge vom 24. November. Immerhin – ihre SP ist noch imstande, Abstimmungen zu gewinnen.

Einst trieb der gewiefte SP-Präsident Christian Levrat mit seinem Freiburger Gesinnungsfreund Alain Berset und der Taktikerin Simonetta Sommaruga die bürgerliche Mehrheit in Bundesbern vor sich her. Das ist zwar schon eine Weile her. Doch Jans’ Chefin mag sich bestens daran erinnern.

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