Editorial
Sind Kosovo-Schweizer nur Bürger zweiter Klasse?

Der Bund möchte Menschen mit kosovarischen Wurzeln zum Wegzug in den Balkanstaat motivieren. Ein Affront gegenüber allen Kosovo-Schweizern, die sich hierzulande integriert haben.
Publiziert: 27.01.2019 um 04:34 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2019 um 07:43 Uhr
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Mit der Migration ist das so eine Sache. Ein sensibleres Thema lässt sich kaum denken. Es geht um den Kern dessen, was einen Menschen ausmacht. Es geht um seine Identität.

In der politischen Debatte allerdings wird das Ganze reduziert auf Schlagwörter wie Leitkultur und Wertekanon, Nulltoleranz oder Bekenntnis zur christlich-jüdischen Tradition.

Wie wenig solche Begriffe taugen, zeigt sich beispielsweise dann, wenn prominente Repräsentanten unseres Landes vor den Augen der Weltöffentlichkeit die Doppeladler-Geste vorführen.

In einem solchen Moment wird der Nation mit einem Schlag bewusst: Die Politik formuliert Gesetze, doch das Leben folgt eigenen Gesetzmässigkeiten.

Ob dies nun jedermann gefällt oder nicht: Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka haben die Bedeutung des Wortes «Schweiz» um eine Facette erweitert – um die Sichtweise jener 200 000 Bewohner unseres Landes mit kosovarischen Wurzeln.

Dessen ungeachtet unternimmt das Staatssekretariat für Migration jetzt den Versuch, wenigstens einige dieser Menschen zu einem Umzug in den Kosovo zu bewegen.

Der Bund ruft nicht: Kosovo- Albaner raus! Sein Vorgehen ist subtiler. Das Staatssekretariat für Migration finanziert acht Kurzfilme über Persönlichkeiten, die nach ihrer Übersiedlung in den Kosovo als Geschäftsleute reüssiert haben.

Elf Jahre nach Ausrufen der Unabhängigkeit kommt der Kosovo wirtschaftlich kaum vom Fleck und politisch nicht zur Ruhe. Darüber schweigen sich die Filme konsequent aus. Dieser Umstand allein schmeckt schon unangenehm nach Manipulation und Propaganda. Aber natürlich findet man sie, die Ausnahmebiografien erfolgreicher Mittelständler im Kosovo.

Da gibt es etwa jenen 29-jährigen Finanzspezialisten aus dem Baselbiet, der unlängst in die Heimat seiner Eltern ausgewandert ist. Im Film appelliert er an den wirtschaftlichen Instinkt der Zuschauer. Er verspricht: «Im Kosovo gibt es viel Potenzial, vielleicht sogar mehr als in der Schweiz.» Und: «Der Kosovo ermöglicht ein Leben in Wohlstand.»

Da gibt es aber auch die Chefin einer Bäckerei. Sie spricht im Film unmittelbar die Gefühle des Publikums an. Sie sagt: «Ich wollte, dass meine Kinder im eigenen Land aufwachsen. Jeder Mensch hat im eigenen Land mehr Wert als anderswo.»

Diese Meinung darf sie selbstverständlich vertreten. Doch was genau hat eine solche Aussage in einem Film zu suchen, den der Bund finanziert?

Produziert hat die Serie ein schweizerisch-albanisches Internetportal. Gerichtet ist sie an die Kriegsflüchtlinge von einst, ebenso an deren Töchter und Söhne. Leute also, die in der Schweiz aufgewachsen sind und die man ein Leben lang zur Integration angehalten hat.

Diese Töchter und Söhne gehören zur Schweiz, viele besitzen ausschliesslich den Schweizer Pass (wie zum Beispiel Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka). Doch der Bund stellt sie jetzt als Bürger zweiter Klasse hin, die ihr Glück bitteschön anderswo suchen sollen. Das ist – sehr vorsichtig formuliert – ein starkes Stück.

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