Editorial
Lesen Sie unseren neuen Kolumnisten kritisch, aber lesen Sie ihn!

Das politische Klima ist geprägt von Verunsicherung und Frust. Damit gewinnt eine Figur an Bedeutung, die in Vergessenheit geraten war: der kritische Intellektuelle. Entsprechend gross ist unsere Freude, dass Lukas Bärfuss jetzt für SonntagsBlick schreibt.
Publiziert: 13.01.2019 um 02:36 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2019 um 12:24 Uhr
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Lange sah es so aus, dass wir angesichts immer schlauer werdender Maschinen selber nicht mehr denken müssen.

Im Jahr 2013 schrieb Viktor Mayer-Schönberger, Professor am Internet Institute der Universität Oxford: «Nicht immer müssen wir die Ursache eines Sachverhalts kennen, sondern können mitunter auch die Daten für sich selbst sprechen lassen.» Wir brauchen die Welt gar nicht mehr verstehen zu wollen. Das übernimmt der Computer. Nach Mayer-Schönbergers Vorstellung geht es für den Menschen im Digitalzeitalter lediglich «um das Was, nicht um das Warum».

Der Internet-Professor schwärmte von einer Software, die angeblich den Verlauf der Börsen aufgrund von Twitter-Feeds vorhersagen kann. Und Amazon wisse ohnehin am besten, was jeder von uns wolle. Besser jedenfalls als wir selbst.

Die Börsen-Twitter-Software war ein Flop und ist längst aus dem Verkehr gezogen. Überhaupt dämmert uns heute: Trotz künstlicher Intelligenz ist die Welt nicht berechenbarer geworden. Im Gegenteil. Neben spektakulären Innovationen und zahllosen Annehmlichkeiten hat die Digitalisierung ein ungeheures Mass an Irrationalität, Verunsicherung und Frust in die Welt gebracht.

In diesem geistigen Klima gewinnt eine Figur wieder an Bedeutung, die fast in Vergessenheit geraten war: der kritische Intellektuelle.

Der Intellektuelle ist dem Wort nach jemand, der zwischen den Zeilen liest. Und in der digitalen Ära vermehrt zwischen den Zahlen. Der kritische Intellektuelle liest den Mächtigen die Leviten und kann den Menschen in Phasen des gesellschaftlichen wie politischen Umbruchs helfen, die Zeichen der Zeit besser zu deuten.

Im aktuellen SonntagsBlick beschäftigt sich der Schriftsteller Lukas Bärfuss mit dem Lehrplan 21. Die jüngste Reform unseres Schulsystems setzt den Schwerpunkt auf den Erwerb von «Kompetenzen». Eigentliche Bildung dagegen gilt als passé. Damit atmet auch der Lehrplan 21 ein naives Vertrauen in die Technik: Fürs Wissen ist der Computer zuständig. Als ob man digitalen Fakten einfach so trauen dürfte.

Wenn Lukas Bärfuss über die Bildungsfeindlichkeit des heutigen Unterrichts nachdenkt, fasst er einen Aspekt speziell ins Auge: Ohne einheitlichen Schulstoff geht der Gesellschaft der gemeinsame Gesprächsstoff abhanden.

Mit dem Lehrplan 21 – so Bärfuss’ wichtigste These – driftet unser Land in alle Richtungen auseinander. Nichts hält die Schweiz mehr zusammen.

Der Beitrag zum Lehrplan 21 ist nicht die letzte kritische Intervention, die Lukas Bärfuss im SonntagsBlick publiziert. Ab Februar schreibt der wichtigste Schweizer Intellektuelle seiner Generation einmal im Monat über den Zustand der Schweiz. Wir freuen uns über unseren neuen Mitarbeiter und auf seine Texte!

Selbstverständlich provoziert ein so pointierter Autor wie Lukas Bärfuss auch Widerspruch. Zum Glück! Bärfuss will ja eben nicht, dass wir allesamt aufhören, selbst zu denken. Anders gesagt: Lesen Sie Lukas Bärfuss kritisch – aber lesen Sie ihn!

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