Texaid-Chef baut sich Villa
Ein waschechter Skandal

Wer seine Kleider Texaid anvertraut, muss nicht damit rechnen, dass er damit den Reichtum einer einzelnen Person mehrt. Unsere Recherchen zeigen aber: Private verdienen beim Geschäft mit den Kleiderspenden mit. Und die Hilfswerke legen den Mantel des Schweigens darüber.
Publiziert: 23.02.2019 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 20.08.2019 um 15:51 Uhr
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Natürlich gibt es auch diese Businessweisheit: «Doing well by doing good.» Was so viel heisst wie: Man kann geschäftlichen Erfolg haben mit guten Taten.

Was sich der Chef der Kleiderverwertungsfirma Texaid leistet, dürfte des Guten allerdings zu viel sein.

Dieser Tage stopfen Hunderttausende Schweizer ihre Wintergarderobe in die weissen Texaid-­Säcke und stellen sie als Spende vor die Haustür. Und das ist der Punkt: Ein Spender darf ganz selbstverständlich davon ausgehen, eine gute Tat zu vollbringen. Das Lexikon definiert «spenden» so: «für einen wohltätigen Zweck geben».

Noch dazu führt Texaid die «Hilfe» sogar im Namen. Und: Auf den Säcken prangt unübersehbar das Logo gleich von sechs Schweizer Hilfswerken.

Wer seine Kleider Texaid anvertraut, darf davon ausgehen, dass seine Gabe vollumfänglich Bedürftigen zugutekommt. Unmittelbar oder durch den Erlös aus dem
Verkauf der Kleider.

Wer seine Kleider Texaid anvertraut, muss nicht damit rechnen, dass seine Gabe den Reichtum ­einer einzelnen Person mehrt. Die Recherchen von SonntagsBlick-Redaktor Harry Büsser zeigen indes: Für den Geschäftsführer von Texaid – der zugleich der Sohn der Mitinhaberin der Firma ist – bedeutet das Kleidersammeln in jedem Fall ein lohnendes Geschäft.

Der Mann kommt mir vor wie ein kapitalistischer Wolf im karita­tiven Schafspelz.

Doch Texaid ist nicht einfach irgendein Unternehmen mit einem Chef, der die Redensart von den Kleidern, die Leute machen, auf originelle Weise neu interpretiert.

Das Logo der sechs Hilfswerke steht nicht ohne Grund auf den Sammelsäcken: Diese Organisationen sind an Texaid beteiligt. Ja, sie erhalten einen Teil des Erlöses aus dem Kleiderverkauf. Doch dafür legen sie den Mantel des Schweigens über die Geldflüsse. Die Hilfswerke sitzen im Verwaltungsrat von Texaid. Und dieser Verwaltungsrat hat entschieden, dass das Unternehmen keinen Geschäftsbericht publiziert. Die Hilfswerke lassen die Kleiderspender bewusst im Dunkeln darüber, wie das nun eigentlich funktioniert mit dem Gewinn aus den alten Kleidern.

Und das macht die ganze Sache zu einem waschechten Skandal. Die Hilfswerke spielen hier mit ihrer Glaubwürdigkeit.

Gleichwohl hat die Geschichte ihr Gutes. Sie wirft ein Schlaglicht auf einen unbeachteten, tatsächlich aber hochproblematischen Aspekt unseres Alltags: unseren Kleiderverschleiss.

Jährlich werden 30 Millionen Tonnen Baumwolle produziert. 25 Prozent der weltweit versprühten Insektizide und zwölf Prozent der Herbizide kommen im Baumwoll­anbau zum Einsatz. Die Produk­tion eines einzigen T-Shirts benötigt 2700 Liter Wasser. In Usbekistan haben 50 Jahre Baumwollproduktion gereicht, um den Aralsee auszutrocknen. Das Verschwinden dieses einstmals viertgrössten Sees der Welt gilt als eine der grössten Umweltkatastrophen der Menschheitsgeschichte.

Der Geschäftserfolg des Texaid-Chefs führt uns vor Augen: Wir trennen uns doch etwas voreilig vom einen oder anderen guten Stück. Und weil wir es selbstverständlich gleich wieder ersetzen, halten wir eine toxische Industrie auf Touren.

Letztlich zeigt der Fall Texaid vor allem dies: Es gibt keinen unschuldigen Massenkonsum.

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