Betrüger ergaunern sich Cumulus-Bons eines Migros-Kunden und gehen damit auf Shoppingtour. Innert Minuten sind über 400 Franken weg, die Bons funktionieren wie Bargeld. Interessant ist dabei weniger, was die Gauner kaufen, denn Zigaretten und Lose sind vorzügliche Hehlerware. Bemerkenswert ist vielmehr, wo sie die Ware kaufen. Nämlich in der Migros. Oder genauer: In einem Voi. Voi ist ein Ladenkonzept der Migros, wo das gekauft werden kann, was die Migros eigentlich nicht verkauft: Waren wie Alkohol, Tabak, Wettscheine.
Und das ist die Nachricht hinter der Nachricht. Mit Migros-Bons lassen sich Migros-Tabus brechen. Denn Gottlieb «Dutti» Duttweiler, Gründer und Seele der Genossenschaft, hat Alkohol und Tabak von Anfang an mit einem Verbot belegt. Die Migros verstösst heutzutage also gegen den Willen ihres Gründers. Voi ist nur ein Alkohol-Verkaufskanal unter vielen: Denner und Migrolino sind heute die sichersten Werte beim orangen Riesen. Die Sünder schreiben schwarze Zahlen und gedeihen prächtig.
Dass die Migros bei dem umstrittenen Geschäft mitverdienen will, ist verständlich. Aber wa-rum bekennt sie sich nicht dazu? Stattdessen werden Kon- strukte wie «Voi-Migros-Partner» erfunden. Stattdessen entwickelt man Franchisekonzepte. Nur damit die Migros behaupten kann, sie betreibe keinen einzigen Laden selber. Das ist scheinheilig.
Es wäre aufrichtiger, die alten Tabus zu hinterfragen. Sollen doch die Genossenschafter und Delegierten darüber abstimmen. Oder was würde Duttweiler tun?