Keine Missverständnisse, bitte! Freundliche Nachrufe auf einen Mann, dessen Lebenselixier die Tötung Andersdenkender war und der seit Jahrzehnten im Auftrag des iranischen Gottesstaates eine blutige Spur rund um den Globus zog, sind unangebracht.
Mal traf sein Furor ein jüdisches Gemeindehaus in Buenos Aires. Dann nach Berlin oder Paris geflohene Oppositionelle, protestierende Studenten oder streikende Arbeiter im eigenen Land.
Nein – auch unter Berücksichtigung aller mildernden Umstände: Für Qassem Soleimani muss niemand eine Träne vergiessen.
Und doch: Donald Trumps Befehl, den legendären Kommandeur der iranischen Al-Quds-Brigaden am Flughafen von Bagdad mit Lenkraketen ins Jenseits zu befördern, war mehr als ein eklatanter Verstoss gegen internationales Kriegsrecht, er war auch die letzte von vielen politisch und geostrategisch kurzsichtigen Entscheidungen der USA.
Zwei eng miteinander verbundene Ursünden der USA haben das heutige Chaos im Nahen Osten ausgelöst: Zum einen die Totalzerstörung des politischen Irak nach dem Sturz Saddam Husseins 2003, gefolgt von der rücksichtslosen Auflösung von Armee und Sicherheitskräften des Landes, schliesslich das Desinteresse der USA am Aufbau demokratischer Strukturen.
Zum anderen versäumte es Washington, etwas gegen die finanzielle und militärische Aufrüstung frustrierter irakischer Sunniten durch Saudi-Arabien zu tun – so entstand die Terrormiliz Islamischer Staat.
Es hätte den USA schon früher auffallen müssen, doch spätestens im Kampf gegen den IS bewies Soleimani sein Talent für pragmatische Kompromisse. Der Meisterstratege überredete die schiitischen Milizen im Irak, ihren Guerillakrieg gegen die US-Truppen zu beenden. Gemeinsam mit den Amerikanern vertrieben Al-Quds-Brigaden und Milizen den IS aus dem Irak.
Es hätte ein Neuanfang werden können – wären die USA bereit gewesen, ihre Feindschaft gegen das Mullah-Regime zu dämpfen, seine vorsichtige Öffnung unter dem relativ moderaten Präsidenten Rohani zu unterstützen und Teherans Aussichten auf die Rolle einer regionalen Ordnungsmacht zumindest nicht prinzipiell zu torpedieren:
Doch statt einen mutigen Paradigmenwechsel zu wagen, liessen sich die USA lieber von den Sicherheitsinteressen Israels und Saudi-Arabiens leiten.
Spätestens bei der Fortsetzung des Kriegs gegen den IS in Syrien wurden die letzten Chancen vertan. Auch hier kämpften US-Soldaten und Al-Quds-Brigaden gegen den IS – diesmal jedoch getrennt. Soleimani diente sich und seine Elitetruppe Bashar al-Assad an.
Der Rest ist Geschichte: Soleimani holte die Russen mit ins Land. Der syrische Diktator al-Assad sitzt wieder fest im Sattel. Die geopolitische Bedeutung der USA im Nahen Osten schwand fast auf den Nullpunkt. Allen US-Sanktionen zum Trotz erfüllte Soleimani seine Mission.
Nein – niemand sollte dem Revolutionsgardisten noch eine Träne nachweinen.
Eher schon einer mutlosen Weltmacht, die kein einziges Mal in den letzten Jahren den Sprung über den eigenen Schatten gewagt hat.