Die Rechte und das «Westfernsehen»
Die NZZ spielt das Spiel mit

Die NZZ ist in den Strudel der innerdeutschen Politik geraten. Das ist der Preis, den das Weltblatt für seine Berlin-Expansion zahlt.
Publiziert: 13.07.2019 um 23:43 Uhr
|
Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:08 Uhr
1/6
Reza Rafi, Stv. Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Anja Wurm
Bildschirmfoto 2024-04-02 um 08.40.24.png
Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Es gibt zwei leichte Tätigkeiten im Leben: Spiegeleier braten und Medienkritik. Das bekommt gerade die «Neue Zürcher Zeitung» zu spüren. Seit das einzige Schweizer Weltblatt mitten in eine innerdeutsche Politik-Kontroverse geraten ist, gehört «NZZ»-Bashing zum Volkssport.

Doch Mitleid wäre fehl am Platz. Als Antipode zur Grossen Koalition und zu Angela Merkels Willkommenskultur hat sich in Deutschland rechts der CDU/CSU ein Milieu etabliert, das im Zürcher Blatt ein Ventil für angeblich unterdrückte Wahrheiten gefunden haben will. Und die Zeitung auf ihrem Expansionskurs nach Deutschland spielt das Spiel mit.

Gastbeiträge mit Pegida-Rhetorik gehören ebenso zum Programm wie die messerscharfen und teils provokanten Analysen von Chefredaktor Eric Gujer; aktuell stellt er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wegen dessen Parteinahme für Flüchtlingskapitänin Carola Rackete in eine Linie mit der Wehrmacht («Der hässliche Deutsche trägt keinen Stahlhelm mehr – er belehrt die Welt moralisch»).

Das Fass zum Überlaufen brachte das Lob von Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maassen. Er verteidigte einen umstrittenen «NZZ»-Beitrag über die ethnische Zusammensetzung deutscher Grossstädte. Und bezeichnete die Zeitung als «Westfernsehen». Damit bedient sich der ehemalige Berliner Spitzenbeamte des Wortschatzes einer Szene, die aus AfDlern sowie völkischen und rechtsextremen Kreisen besteht. Dort dominiert das Gefühl, die eigene Identität werde durch die deutsche Öffentlichkeit unterdrückt.

Aber längst nicht nur «NZZ», «Weltwoche» oder «Basler Zeitung» gehören zum vermeintlichen Westfernsehen der Wutbürger, sondern auch eine Vielzahl dubioser Onlinetitel wie die «Schweizer Morgenpost». Solche Webseiten schmücken sich mit Swissness und machen auf seriös, sind aber Munitionslieferanten für Internet­-Trolle. Im Fall der «Morgenpost» mit Erfolg, wie die Recherche von Kollege Simon Huwiler zeigt.

Die Schweiz dient deutschen Rechtspopulisten nicht nur als finanzieller Stützpunkt, sondern auch als Verbreitungsbasis für ideologisch frisierte Inhalte. Indem Angela Merkel die CDU nach links steuerte, half die Kanzlerin unfreiwillig mit, den Rechtsaussen-Sumpf zu beleben.

Und das ist die eigentliche Pointe: Die «NZZ» versucht mit ihrer Strategie von den Auswirkungen jener Politik zu profitieren, für die sie Merkel attackiert. Dass nun ein Shitstorm von linksliberaler Seite über sie hinwegfegt, ist der Preis dafür.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?