Natürlich ist Michael Kohlhaas Unrecht widerfahren! Die Titelfigur in Heinrich von Kleists Novelle aus dem Jahr 1810 wird zum Opfer staatlicher Willkür. Seine Pferde werden beschlagnahmt und zu Tode geschunden. Rosshändler Kohlhaas kämpft um sein Recht – vergeblich. Als dann sogar seine Frau stirbt, greift er zur Selbstjustiz, wird zum Mörder und Räuber. Kohlhaas’ Leitspruch: Gerechtigkeit geschehe, mag die Welt daran zugrunde gehen!
Carl Baudenbacher ist natürlich kein gedemütigter Rosshändler, und um Leben und Tod gehts in seinem Fall auch nicht. Und doch kommt der frühere Präsident des Efta-Gerichtshofs heute daher wie der Michael Kohlhaas der Schweizer Europapolitik.
Verfechter des EWR-Beitritts
Die Öffentlichkeit kennt Baudenbacher seit langem als Verfechter eines EWR-Beitritts. Bloss: Die Bevölkerung hatte diesen Schritt einst abgelehnt; jeder weitere Versuch ist im Ansatz gescheitert.
In einem neuen Buch mit dem Titel «Das Schweizer EU-Komplott» rechnet Baudenbacher jetzt mit der Europapolitik des Bundesrats ab. Der pensionierte Richter greift dabei gerne auch zum Zweihänder.
Die Lektüre des Buchs macht aber auch klar: Baudenbacher hatte in den letzten Jahren häufig den Durchblick – der Bundesrat dagegen leistete sich in der Europapolitik viele Fehler.
Allerdings verwechselt Baudenbacher Inkompetenz oft mit böser Absicht. Vor allem aber beharrt er so sehr darauf, immer recht gehabt zu haben, dass er übersieht: Mit ihren (Fehl-) Entscheiden hat die Regierung eben auch Fakten geschaffen. So gut der EWR für die Schweiz einst gewesen sein mag: Dieser Zug dürfte abgefahren sein. Oder in der Sprache des Kohlhaas: EWR-Fan Baudenbacher reitet ein totes Ross.