Es war eine grosse politische Liebe: die Schweizer Linke und Europa. Seit der EWR-Abstimmung gaben sich vor allem die Sozialdemokraten und etwas weniger die Gewerkschaften als glühende Europäer. Die EU wurde zum Arbeiter- und Angestelltenparadies verklärt, EU-Gegner als Abschotter, Nein-Sager und Ewiggestrige denunziert. Hier die fortschrittlichen und offenen Linken, dort die tumben Nationalisten.
Jetzt finden sie sich im gleichen Boot wieder. Mit ihrem Nein zu Verhandlungen über die flankierenden Massnahmen sind die Gewerkschaften auf einen ebenso sturen Blockade-Kurs eingeschwenkt wie die SVP. Sobald die eigenen Pfründe bedroht sind, erlischt die EU-Liebe der Linken.
Wohlgemerkt: Das Anliegen, welches die Gewerkschaften verfolgen, ist berechtigt. Die Schweizer Löhne sind europaweit die höchsten. Auch wenn man die hohen Lebenshaltungskosten in Betracht zieht, bleibt uns unter dem Strich mehr zum Leben als Deutschen, Franzosen oder Österreichern. Diesen Wohlstand müssen wir verteidigen. Und ja, dafür braucht es einen funktionierenden Lohnschutz. Ein solcher ist aber auch zu haben, ohne dass man bürokratische Details wie die Acht-Tage-Regel zum unverhandelbaren nationalen Heiligtum erklärt.
Wenn Gewerkschaften und SP glauben, die Schweiz könnte autonom darüber entscheiden, wie sie ihren Arbeitsmarkt regelt, erliegen sie einer Illusion. Die EU will nun mal auch über den Lohnschutz diskutieren. Darauf muss die Schweiz einsteigen und in den Verhandlungen einen klugen Kompromiss finden. Nicht verhandeln ist keine Option.
Denn etwas dürfen die Gewerkschaften nicht vergessen: Dass die Schweizer Löhne höher sind als anderswo, liegt daran, dass Schweizer Unternehmen zu den besten der Welt gehören. Ihr Geld verdienen sie vor allem in Europa. Verlieren sie den Zugang zu diesem Markt, schadet das den Löhnen weit mehr als Anpassungen bei den Schutzmechanismen.