Das meint BLICK zu den Bundesratswahlen vom 5. Dezember
Und jetzt zwei Frauen!

Johann Schneider-Ammann macht Platz: Die erste freisinnige Bundesrätin seit 29 Jahren könnte ihn beerben. Doch für die Favoritin Karin Keller-Sutter wird das kein Zuckerschlecken. Und auch der Druck auf Doris Leuthard steigt: Wann geht sie?
Publiziert: 26.09.2018 um 02:15 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 21:19 Uhr
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Christian Dorer

In der Stunde des Rücktritts liess Johann Schneider-Ammann noch einmal seinen Schalk aufblitzen. «Es geht mir gut, ich bin wach», flachste der freisinnige Noch-Bundesrat und machte sich damit über die Schlagzeilen der letzten Tage lustig, laut denen er bei wichtigen Sitzungen regelmässig eingenickt sei.

Doch der frühere Unternehmer ist weder eine Lachnummer noch ein Witzbold: In seinen acht Jahren als Wirtschaftsminister kämpfte er beharrlich für die Schweizer KMU, für die Digitalisierung, für Freihandelsverträge, für die Bauern sowie – im Interesse der Landwirtschaft und der Konsumenten – bisweilen gegen sie. Vor allem aber war Schneider-Ammann in Bern eine Seltenheit, fast ein Fossil: ein durch und durch ehrlicher Politiker.

Am 5. Dezember wird seine Nachfolgerin gewählt. Ja, Nachfolgerin! Der Freisinn steht in der Pflicht, mindestens zwei Top-Frauen zu präsentieren. Man kann sich, wie die FDP, mit guten Gründen gegen jede Art von Quote wehren. Aber wer das tut, darf die Frauen erst recht nicht ständig übergehen. Dann gebietet es die Eigenverantwortung – und die Ehrlichkeit –, Frauen für höchste Ämter aufzubauen und vorzuschlagen.

Es ist eine Schande, dass die Gründerpartei der Eidgenossenschaft mit Elisabeth Kopp erst eine einzige Bundesrätin stellte – und das vor 29 Jahren, vor mehr als einer Generation! Wenn es jetzt wieder ein Mann wird, stehen die FDP-Frauen eine weitere Generation untätig in der Kulisse.

Die St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter signalisiert überdeutlich, dass sie Bundesrätin werden möchte. Auch, weil sie alles mitbringt, was es braucht, ist sie die Top-Favoritin.

Keller-Sutter kann jetzt eigentlich nur noch über Keller-Sutter stolpern. Wie 1999 die haushohe Favoritin Rita Roos (CVP), auch sie St. Gallerin: Roos führte sich schon Wochen vor der Wahl zunehmend als Bundesrätin auf, trat stets umgeben von Getreuen auf, wurde unnahbar – und verlor zur Verblüffung aller gegen die damals völlig unbekannte Ruth Metzler.

Was immer Keller-Sutter daraus gelernt hat oder nicht: Die FDP muss – das gebietet der Respekt vor dem Parlament – eine Auswahl präsentieren. Keine Frage: In den kommenden Wochen wird die Partei ihre Reihen nach geeigneten Frauen durchkämmen.

Noch aber sind alle Augen auf eine andere Frau gerichtet: auf Bundesrätin Doris Leuthard. Wenn sie aus New York zurückkehrt, sollte sie klarstellen: Geht sie wie Schneider-Ammann Ende Jahr oder bleibt sie noch ein weiteres?

Eine Doppelvakanz brächte viel mehr Spielraum. Und die erfreuliche Aussicht, dass am 5. Dezember gleich zwei Frauen in den Bundesrat gewählt werden. Nach zwölf Jahren Leuthard steht die CVP zwar weniger unter Druck als die FDP, eine Frau zu portieren. Doch weil sich in der Partei weder ein Mann noch eine Frau zwingend aufdrängt, dürfen die Christdemokraten gern auch eine Frau vorschlagen.

Dann sässen im Bundesrat auf absehbare Zeit vier Männer und drei Frauen. Es wäre das Mindeste, was man im Jahr 2018 erwarten darf!

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