Bereits vor rund 5000 Jahren hielten sich Herrscher in Ägypten, später auch in China und dem Alten Orient exotische Tiere als Statussymbol. Berühmt wurde der indische Elefant Hanno, den der König von Portugal (1469–1521) dem atheistischen Papst Leo X. zur Wahl schenkte. Die Nahrungsumstellung tat dem armen Tier allerdings nicht gut, es starb an Verstopfung.
Die privaten «Tier-Menagerien» des französischen Sonnenkönigs waren noch dem Adel vorbehalten, erst mit dem Aufkommen des Bürgertums entstanden öffentliche Zoos.
«Lippen-Negerinnen» ausgestellt
Irgendwann hatten die Leute genug Giraffen, Bären und Elefanten gesehen. Der Tierhändler Carl Hagenbeck (1844–1913) ersetzte deshalb exotische Wildtiere durch «halbnackte Wilde» und stellte sie in «Menschenzoos» zur Schau.
1885 zogen Elefanten und «Eingeborene» durch die Zürcher Bahnhofstrasse und bewarben seine Singhalesen-Ausstellung, es gab ein «Negerdorf» im Letzigrund, im Basler Zoo wurden «aussterbende Lippen-Negerinnen vom Stamme der Sara-Kaba» ausgestellt. Die Weltwirtschaftskrise beendete die kostenpflichtigen Völkerschauen, und nach dem Krieg waren sie kein Thema mehr.
Diskriminierte Arten
Nach den grossen Debatten über Nationalismus, Rassismus und Sexismus tritt der Speziesismus auf die Traktandenliste, die Diskriminierung von Lebewesen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit.
1999 statuierte die New Yorker Richterin Barbara Jaffe ein Exempel und stellte einen Affen auf die gleiche Rechtsstufe wie Menschen. Aus einer tierischen Sache wurde eine rechtliche Person.
Nur weil Zebras nicht Klavier spielen und Kamele nicht Goethe lesen, sind sie keine Handelsware, sondern Säugetiere mit den gleichen Grundbedürfnissen wie Menschen. Sie entwickeln in Gefangenschaft die gleichen psychischen Störungen.
Virtual Reality statt Zoos
Moderne Zoos verteidigen heute ihr Business mit dem Argument, es diene der Bildung und Forschung. Doch die Wissenschaft kennt längst die Wechseljahrbeschwerden von Pinguinen, die Herkunftsländer sind in ein bis zwei Tagen erreichbar, und Virtual Reality lässt uns zwischen Haien und Gelben Haarquallen schwimmen.
In 50 Jahren werden die Betreiber von Zoos und Ozeanarien vielleicht das gleiche Image haben wie heute Hagenbecks Menschenzoos.
Claude Cueni (62) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Soeben ist sein neuer Roman «Warten auf Hergé» erschienen. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.