BLICK-Kolumnistin Patrizia Laeri über den digitalen Wandel
Das grosse Grauen

Tech-Giganten warnen vor den eigenen Algorithmen. Doch die Verantwortung schieben sie ab. Es droht die digitale Krise, schreibt Kolumnistin Patrizia Laeri.
Publiziert: 05.03.2019 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 08.03.2019 um 14:02 Uhr
Patrizia Laeri ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.
Foto: Thomas Buchwalder
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Patrizia LaeriKolumnistin

Kleine Grusel-Leseempfehlung gefragt? Geschäftsberichte 2019. Ein Kapitel kann ich besonders ans Herz legen: «Risk Factors». Das liest sich wie das Drehbuch für die nächste Krise. Und die geht so: Nach der Finanz- droht die digitale Krise. Plötzlich warnen erste Tech-Giganten selber vor künstlicher Intelligenz.

Microsoft warnte seine Investoren bereits letztes Jahr vor seinen eigenen Algorithmen. Besonders interessant ist das Kapitel über das Internet der Dinge. Zusammenfassend weist Microsoft darauf hin, dass dieses Netz unsicher sein kann und nicht das macht, wofür es eigentlich gedacht ist. Ausserdem bestehe es aus derart vielen Ebenen, dass sie diese als Firma nicht alle kontrollieren könnten. Sei es Hardware, Sensoren, Prozessoren, Software: Der schwächste Baustein könne die Sicherheit des ganzen Systems gefährden.

Da leuchten bei mir alle Warnlampen auf. Warum klingt das derart nach Abschieben der Verantwortung? Abschieben der Verantwortung auf Zulieferer? Im Krisenfall sind die Hardware- oder Sensoren-Hersteller im Internet der Dinge schuld, denn die Tech-Giganten haben die Investoren im Geschäftsbericht ja gewarnt. Kennen wir doch. Haben wir alles schon gehört im Dieselskandal, dieses Haftungsgerangel, worin am Ende die Messgerätehersteller schuld sein sollen.

Dieses Jahr hat auch Googles Mutterkonzern Alphabet mit Warnparolen im Geschäftsbericht nachgezogen – allerdings fallen sie knapper aus. Sinngemäss warnt der Datenkonzern davor, dass künstliche Intelligenz in Produkten zu ethischen, rechtlichen und technologischen Problemen führen und damit den Ruf und Umsätze von Google schädigen könnte.

Ist es aber nicht viel beunruhigender, dass so viele Tech-Giganten noch gar nicht vor künstlicher Intelligenz warnen? So wie die Banken vor der Finanzkrise nicht vor ihren Ramschprodukten gewarnt haben. IBM oder Tesla tun es nicht. Amazon sowie Facebook warnen vor dem regulierungsfreudigen Staat, aber nicht vor Risiken der Technologie selber. Facebook warnt mehrfach vor kritischen Medienberichten statt vor ethischen Problemen und Auswirkungen ihrer Algorithmen. Das wirkt erschreckend uneinsichtig. Selbstregulierung klingt anders.

Die 10'000 Seiten Regulierung zum Schutz der Anwender, sprich User, werden wohl erst nach einer digitalen Krise lanciert, so wie die Regulierung die Anleger ausgedehnt schützt, erst Jahre nach der Finanzkrise. Horror programmiert. Wollen wir wetten?

* Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.

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