Der Streit um Donald Trumps Grenzmauer bewegt die USA. Hier in Kalifornien ist es ein Dauerthema – auf dem Tennisplatz, in der Bar, im Büro. Doch nicht nur im liberalen Sonnenstaat wird heftig über Sinn und Unsinn diskutiert. Über kein anderes Thema wurde in den ersten Monaten des neuen Jahres so viel in US-Zeitungen geschrieben und in TV-Sendungen debattiert.
Die Kontroverse dürfte noch lange weitergehen. Denn der Mauer-Kampf hat mit Trumps Notstandserklärung im Februar eben erst begonnen. 16 US-Bundesstaaten haben seither eine Sammelklage eingereicht. Der Rechtsstreit dürfte sich über Jahre hinziehen und am Ende vor dem Supreme Court landen. Gut möglich, dass Trump am Tag der Entscheidung nicht mehr im Weissen Haus ist.
Symbolisch viel wichtiger jedoch ist die Entscheidung, die der Kongress treffen wird: Ist es ein Notstand – ja oder nein?
Die Demokraten erarbeiteten eine Resolution, die den Notstand beenden würde. Das Repräsentantenhaus hat dem Vorstoss bereits zugestimmt. Der von den Republikanern dominierte Senat stimmt voraussichtlich nächste Woche darüber ab. Auch hier zeichnet sich eine hauchdünne Mehrheit ab: Vier Republikaner dürften mit den Demokraten stimmen, was zu einem 51:49-Resultat führen würde – welch Schmach für Trump!
Dieser hat bereits angekündigt, sein Veto dagegen einzulegen. Es wäre das erste Mal seit 1976, dass ein Präsident seinen Notstand mit einem Veto verteidigt.
Die Doppelmoral der Republikaner
Doch das «Ja» im Senat fällt viel zu knapp aus. Viele Republikaner haben sich noch im Januar gegen eine Notstandserklärung ausgesprochen, darunter bekannte Gesichter wie Ted Cruz oder Marco Rubio. Mitch McConnel, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, soll Trump gar bekniet haben, von einem solchen Schritt abzusehen. Vergebens.
Aber zeigen McConnell, Cruz und Rubio nun Rückgrat und stimmen für die Resolution der Demokraten? Pustekuchen! Wie so viele ihrer Parteikollegen haben sie sich hinter den US-Präsidenten gestellt.
Dass 49 der 53 republikanischen Senatoren voraussichtlich gegen die Resolution stimmen werden, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Ausgerechnet die Partei, die Barack Obama für seine insgesamt 276 unterzeichneten Dekrete Machtüberschreitung vorwarf. Trump hat in seinen gut zwei Jahren übrigens bereits 100 Dekrete unterschrieben – ein höherer Durchschnitt als Obama.
2014 wollten die Republikaner Obama schliesslich verklagen, weil er seine umstrittene Gesundheitsreform mit den Erlassen zu sehr verändert haben soll. Auch dort ihr Vorwurf: Machtüberschreitung des Präsidenten. Und nun, wenn «ihr» Präsident einen Notstand ausruft, der faktisch schlicht keiner ist? Schweigen.
Eine «humanitäre Krise» und eine «grosse Gefahr für die USA» – so beschreibt Trump die Lage an der Grenze. Deshalb brauche es dringend eine Mauer. Aber: Die illegalen Grenzübertritte sind im Vergleich zum Jahrzehnt davor deutlich zurückgegangen. Zudem gelangten 2018 nicht 4000 Terroristen – wie vom Weissen Haus angegeben – über die mexikanische Grenze nach Amerika, sondern laut offizieller Statistik lediglich sechs. Und: Die überwiegende Menge der Drogen wird durch normale Grenzübergänge geschmuggelt.
Lindsey Graham steht sinnbildlich für die Angst der Partei vor Trump
Dass die grosse Mehrheit der Republikaner nicht den Mut aufbringen, gegen die Machtüberschreitung ihres Präsidenten einzustehen, zeigt die Machtlosigkeit der Partei auf. Seit Trump Präsident ist, wird vor ihm gekuscht.
Im Wahlkampf 2016 war noch alles anders. Der bekannte Republikaner Lindsey Graham bezeichnete Trump damals als «Sexist» und «Esel», der absolut «unfähig» für das Amt des Präsidenten sei. Jetzt macht er mit ihm auf dicke Freunde und verteidigt sämtliche Schritte des Weissen Hauses. Auch die Notstandserklärung unterstützt er.
Das Verhalten von Lindsey Graham steht sinnbildlich für den Angstzustand der Partei. Denn Graham muss 2020 seinen Senatssitz in South Carolina verteidigen – einem Staat, der mit grosser Mehrheit hinter dem US-Präsidenten steht. Da ist Kritik nur hinderlich. Trump hat bei den Halbzeitwahlen 2018 schliesslich gezeigt, was er mit Republikanern macht, die nicht hinter ihm stehen. Er stellt sie öffentlich an den Pranger. Das hat so manchem den Sitz in Washington gekostet.
Graham will kein Opfer von Trump werden. Werte? Persönliche Überzeugungen? Egal! Hauptsache man behält seinen Platz im schönen Washington.