Die FDP ist fulminant in den Wahlkampf 2023 gestartet. Mit einer grossen Show im Eishockeystadion von Fribourg-Gottéron. Alle trugen viel zu grosse Trikots. Als wollte sich die Partei ein bisschen grösser machen. Grossspurig war auch die Ankündigung: «Die FDP wird zweitgrösste Partei und überholt die SP.» Mit dem Slogan «Anpacken statt Ankleben» wurde Stimmung gemacht, man verbrüderte sich mit der SVP für Listenverbindungen, organisierte die Besichtigung von Grenzkontrollen im Tessin und setzte auf das Thema Asyl.
Was ist daraus geworden? Die FDP hat ihr historisches Tief erreicht. Mit 14,3 Prozent liegt sie noch knapp vor der Mitte, die auf 14,1 Prozent kommt. Die SP bleibt mit über 18 Prozent klar zweitstärkste Kraft und konnte ihren Vorsprung sogar ausbauen. Profitiert hat dank Listenverbindungen und Asylthema vor allem die SVP.
Die Ausgangslage für die Bundesratswahlen zeigt sich wie folgt: Die Ansprüche der SVP und der SP auf zwei Sitze sind unbestritten. Dann gibt es aber zwei Parteien mit praktisch gleichem Wähleranteil von gut 14 Prozent: die FDP mit zwei Sitzen im Bundesrat, die Mitte mit einem. Und die Grünen haben mit 9,8 Prozent keinen Bundesratssitz.
Wir Grüne haben entschieden, bei den Gesamterneuerungswahlen für den Bundesrat anzutreten. Über ein Viertel der Wählenden ist nicht in der Regierung vertreten. Für einen Sitz braucht es rein rechnerisch 14,3 Prozent – genau das Resultat der FDP, die mit zwei Sitzen klar übervertreten ist.
Einfach ist die Ausgangslage allerdings nicht, zumal die Mitte erklärt hat, keine Bundesrätinnen und Bundesräte abzuwählen. Die SVP will zusammen mit der FDP die rechte absolute Mehrheit in der Regierung erhalten. Der Freisinn selbst verteidigt seine Pfründe. Dabei wäre es gerade jetzt an den Liberalen, ihre oft gepriesene Eigenverantwortung zu zeigen. Der Markt der Wählerinnen und Wähler hat gesprochen: Der Anspruch auf zwei FDP-Sitze ist weg. Würde die Partei jetzt einen Platz im Bundesrat freigeben, könnte eine neue Zauberformel mit weniger Zauber, aber mehr Demokratie statt Machtpolitik entstehen. Und die FDP würde sich an ihren Wahlslogan halten: Anpacken (und Sitz räumen) statt Ankleben.
* Aline Trede ist Fraktionschefin der Grünen im Nationalrat und Umweltwissenschaftlerin. Sie schreibt jeden zweiten Sonntag für uns – im Turnus mit SVP-Nationalrat Alfred Heer.