Bashar al-Assad und der Rückzug der USA
Syriens Schlächter hat gesiegt

US-Präsident Trump zieht seine Truppen Syrien ab. Jetzt bleibt nur Wladimir Putin, der Assad davon abhält, blutige Rache an seinem Volk zu nehmen.
Publiziert: 29.12.2018 um 23:05 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2018 um 09:45 Uhr
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Johannes von Dohnanyi, Auslandsredaktor.
Foto: Parwez
Johannes von Dohnanyi, Auslandsredaktor

Es ist schon verrückt! Da haben die USA und ihre Freunde in Europa, der Türkei und der arabisch-sunnitischen Welt fast acht Jahre lang versucht, Syriens Bashar al-Assad und sein Regime zu vertreiben – nun aber verrät Donald Trump all diese Bemühungen mit einem einzigen Federstrich ...

Damit hat er nicht nur seine Verbündeten im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) im Stich gelassen, sondern auch den Schlächter von Damaskus zum Gewinner im Bürgerkrieg gekürt. Mit al-Assad stehen auch Putin und die iranischen Ayatollahs auf dem Siegertreppchen – als neue oberste Entscheidungsin­stanz im Nahen und Mittleren Osten.

War das etwa der Hintergedanke des US-Präsidenten, als er gerade überraschend den Abzug von rund 2000 Soldaten aus dem Norden Sy­riens befahl? Als er die Peschmerga-Kämpfer der syrischen Kurden dazu zwang, die Armee ihres Schlächters um Hilfe zu bitten?

Denn al-Assads Soldaten sollen nicht nur die syrischen Hoheitsansprüche über die Kurdengebiete an der Grenze zur Türkei verteidigen. Der Diktator von Damaskus soll sich auch dem vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan angekündigten Vernichtungsfeldzug gegen die Einheiten der kurdischen YPG entgegenstellen.

Man mag sich die Schadenfreude des von Erdogan gehassten und vom Kreml unterstützten Despoten vorstellen, der bereits an der Schwelle der endgültigen Niederlage stand.

War es nicht der Nato-Partner Türkei, der lange Zeit offen mit dem Islamischen Staat (IS) gegen ihn paktierte? War es nicht Erdogans Geheimdienst, der bei Waffenlieferungen an die Terroristen ertappt wurde? Waren es nicht türkische Spitäler, die verwundete IS-Kämpfer behandelten? Und finanzierte sich der IS nicht mithilfe der Türkei über Ölverkäufe aus den von der Terrormiliz besetzten Bohrfeldern?

«Syrien gehört jetzt dir», hatte Trump zu Erdogan am Telefon gesagt: Doch nach kurzer Freude ist der nun auffallend schweigsam. 
Einen offenen Krieg gegen die von Russen und Kurden unterstützte syrische Armee kann er sich kaum leisten. Der Traum des Autokraten, das Osmanische Reich wiederauferstehen zu lassen, ist vorerst gescheitert.

Al-Assad darf also jubilieren. Auch, weil Trump die Ideale von Freiheit und Menschenrecht endgültig in die Tonne getreten hat – trotz Giftgasangriffen auf Zivilisten, trotz mehr als einer halben Million Kriegstoten, trotz Millionen von Flüchtlingen.

Jetzt steht Wladimir ­Putin in der Pflicht, wenigstens zu verhindern, dass Bashar al-Assad seine Rachegelüste ungezügelt 
an den Syrern austobt.

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