#aufbruch mit Patrizia Laeri
Eine Jacinda für die Schweiz!

Die Welt kann viel vom Zwergstaat Neuseeland lernen. Patrizia Laeri über die jüngste Regierungschefin der Welt und warum es auch in der Wirtschaft ein Umdenken braucht.
Publiziert: 03.10.2018 um 01:54 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 23:07 Uhr
Jacinda Ardern ist erst die zweite Regierungschefin der Welt, die während der Amtszeit ein Kind geboren hat.
Foto: REUTERS
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Patrizia LaeriKolumnistin

Es gibt da ein kleines, reiches Land, das ganz anders geführt wird als die Schweiz: Neuseeland. Es hat die jüngste Regierungschefin der Welt: die 38-jährige Jacinda Ardern. Und sie ist erst die zweite Regierungschefin der Welt, die während der Amtszeit ein Kind geboren hat. Sie lebt eine Politik der «kindness» – also eine Politik der Grossherzigkeit. Sie will Sorge tragen zu den Menschen und der Welt. Sie kämpft in erster Linie gegen Kinderarmut und Klimawandel.

Sie stellt auch die Wirtschaft auf den Kopf und orientiert sich nicht mehr am veralteten Konzept des Bruttoinlandprodukts. Dieses misst den Wohlstand des Landes rein finanziell. Sie will, dass alle Neuseeländer ein besseres Leben haben und der Erfolg ihres Landes nicht nur an der Wirtschaftsleistung gemessen wird. Die kann nämlich hoch sein, die Menschen aber tief unzufrieden. Zum Beispiel, wenn die Ungleichheit so gravierend ist wie in den USA. Dort besitzen die Reichsten den Grossteil des Vermögens und die Masse kaum was.

Ökonomen haben das BIP in den letzten Jahren ebenfalls kritisiert. Wohlstand bemesse sich nicht nur an finanziellen, sondern auch an kulturellen, ökologischen und gar psychologischen Aspekten. Arderns Finanzplan heisst Wellbeing Budget. Sie orientiert sich am Better Life Index, am Index für ein besseres Leben der internationalen Organisation OECD. Die junge Premierministerin ist experimentierfreudig, innovativ und mutig.

Neuseeland mag klein sein, die Wirkung der Regierungschefin aber umso grösser. Sie weiss die sozialen Netzwerke für ihre Botschaft meisterlich zu nutzen. Sie hat ihre Babytochter an die Uno-Vollversammlung mitgenommen und die Welt damit gezwungen, anders über Mütter und Kinder am Arbeitsplatz zu denken. Ardern verändert die Spielregeln auf der grossen Bühne der Weltpolitik.

Aber Ardern ist vor allem auch eines: die Anti-Trump. Sie ist die Hoffnung für Menschen wie mich, die genug haben von bösem Poltern, von Streit und Angstmacherei. Er brüllt, sie lacht. Er sät Angst. Sie verkörpert Optimismus. Und zwar so ansteckend, dass der kleine pazifische Inselstaat auf der globalen Bühne plötzlich wie ein Leuchtturm den Weg in die Zukunft weist.

Neuseeland hat als erstes Land der Welt das Frauenstimmrecht eingeführt, und wir als eines der letzten. Wir sollten uns nicht noch 78 Jahre gedulden, bis eine junge, progressive Jacinda das Land regiert. Das ist schade, denn Jacindas gibt es in der Schweiz heute schon.

Viele Menschen haben Lust auf etwas Neues. Auf etwas anderes als diese rückwärtsgerichteten Autokraten, welche derzeit die Welt beherrschen. Sie wollen fortschrittliche, aufgeschlossene und vor allem grossherzige Politikerinnen. Schlau sind die Parteien, die diesen Zeitgeist erkennen.

*Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.

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