«Alles wird gut» mit Ursula von Arx
Siege für alle

Wir reden gern von Wettbewerbsgesellschaft. Doch die Startbedingungen sind nicht für alle dieselben. Noch immer entscheidet die Herkunft, was aus den Kindern wird.
Publiziert: 04.11.2018 um 23:07 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2018 um 23:08 Uhr
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Ob aus einem Fohlen ein gutes Rennpferd werden kann, hängt wesentlich davon ab, aus welchem Stall es kommt. Bei den Menschen ist es wie bei den Pferden. Eine neue Studie des Kinderhilfswerks der Uno zeigt es: Das Elternhaus entscheidet. Ein bildungsnahes Zuhause bedeutet für ein Kind prima Chancen, in der Schule zu reüssieren, ein bildungsfernes schlechte. Und das ist in allen untersuchten Ländern so.

In die Wiege gelegt, so scheint einmal mehr bewiesen worden zu sein, ist uns das Schicksal. Der Adel ist zwar abgeschafft, aber noch immer ist es eine Frage der Geburt, wer zukünftig eher zu den Gewinnern zählt und wer zu den Verlierern. Wer vom Klingklang von Geld, Macht, Ansehen umflort wird und wer von Resignation, Ressentiments, Geringschätzung und wurmstichigen Aussichten. 

Ungleiche Startbedingungen

Gleichzeitig sieht sich unsere Gesellschaft gern als Wettbewerbsgesellschaft. Der oder die Beste soll gewinnen. Die ungleichen Startbedingungen gehen dabei leicht vergessen. Doch ungleiche Startbedingungen führen zu einem verzerrten Wettbewerb. Und zu Verzerrungen bei der Selbsteinschätzung. Auch wenn sie gleich gut sind in der Schule, trauen sich Kinder aus bildungsfernen Haushalten viel seltener den Besuch eines Gymnasiums zu als die aus bildungsnahen.

Ein verzerrter Wettbewerb wiederum lässt es fragwürdig erscheinen, weiterhin von Siegern und Verlierern zu reden und so zu tun, als ob ein Sieger sein Siegerdasein allein seiner Leistung zu verdanken habe. Die meisten Sieger steigen mit Vorsprung ins Rennen. Sie verdanken ihren Erfolg dem Zufall, mit einer genügenden körperlich-geistigen Ausstaffierung in ein förderndes, forderndes, hegendes Umfeld mit vielen schönen Gelegenheiten hineingeboren worden zu sein. 

Wer mitmacht, gewinnt

Würden wir nicht mehr von Siegern reden, müssten wir auch nicht mehr von Verlierern oder Versagern reden. Ohne Siege keine Niederlagen und keine Rennen. Oder doch Rennen, aber dann so eines, wie es der Dodo in «Alice im Wunderland» organisiert: eine Art Kreisbahn, auf der jeder und jede läuft, wo und wie er oder sie gerade kann und mag, und am Ende kriegen alle Preise, weil alle gewonnen haben. Wer mitmacht, gewinnt. Es gewinnt, wer mitmacht. Alles wird gut. 

Ursula von Arx hat ein Studium abgeschlossen, obwohl ihre Eltern keine Akademiker waren. Sie läuft nicht gern um die Wette, schon gar nicht im Kreis, und sie schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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