Haben Sie mitbekommen, dass die Frauen Deutschlands seit genau 100 Jahren und einer Woche politisch mitbestimmen dürfen? Nein? Die Feierlichkeiten fielen auch nicht eben bombastisch aus.
Das wäre in der Schweiz, wo das Frauenstimmrecht erst vor 47 Jahren eingeführt wurde, bestimmt nicht anders. Auch hier haben die kämpferischen Wegbereiterinnen des Frauenstimmrechts keine grosse Strahlkraft. Oder kennen Sie vielleicht Helene von Mülinen? Meta von Salis? Marthe Gosteli? Oder den Wegbereiter Léonard Jenni? Eben.
Sonst tun es andere
Die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau ist heute selbstverständlich. An den viel zu langen und im Rückblick unfassbar harten Weg dahin zu erinnern, scheint gar nicht mehr nötig. Lieber vorwärtsmachen als zurückschauen sagten sich auch die wenigen Frauen, die in deutschen Medien gebeten wurden, das 100-jährige Jubiläum zu kommentieren. Sie forderten weniger Gewalt gegen Frauen, Lohngleichheit und mehr Spitzenmanagerinnen.
Berechtigte Anliegen. Und doch sollten wir zurückschauen und feiern. Weil sonst andere zurückschauen – und scheinbar selbstverständliche Errungenschaften hinterfragen. Zum Beispiel im Kanton Appenzell Innerrhoden, der 1990 vom Bundesgericht gezwungen werden musste, das Frauenstimmrecht an der Landsgemeinde zuzulassen. In einer Strassenbefragung vor drei Jahren bedauerten einzelne diesen Fortschritt noch immer als «Bruch mit einer langen Tradition».
Rückwärtsgewandt im Silicon Valley
Rückwärtsgewandt denkt man nicht nur in den Ostschweizer Hügeln, sondern auch im Silicon Valley. Der Unternehmer und Investor Peter Thiel, ein blitzgescheiter politischer Wirrkopf, der mit Paypal, Airbnb und Facebook zum Milliardär wurde, begründete vor neun Jahren in einem Essay seine Politikverdrossenheit mit dem Ausbau des Sozialstaates und dem Wahlrecht für Frauen (die tendenziell anders wählen als er).
1 Metzler, 18 Männer
So weit geht in der Schweiz noch kein Mann und erst recht kein Politiker. Aber nur zwei Bundesrätinnen und fünf Bundesräte? In der CVP gab es Männer, die dachten, nach zwölf Jahren Doris Leuthard seien jetzt endlich wieder einmal sie am Zug. Doch die Partei ging über die Bücher und nominierte zwei Frauen für die Wahl im Dezember.
Vor Doris Leuthard sassen in 115 Jahren für die CVP im Bundesrat: eine Ruth Metzler - und 18 Männer.
Zurückschauen. Und alles wird gut.
Ursula von Arx freut sich über das Stimm- und Wahlrecht und ärgert sich über Bundesrätinnen fast so oft wie über Bundesräte. Sie schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.