«Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.» Das ist eines der Schlüssel-Zitate aus «Le Deuxième Sexe» (1949) (dt.: «Das andere Geschlecht», 1951, engl.: «The Second Sex» 1953). Die Aussage hat sich längst verselbstständigt, wird kaum mehr mit Simone de Beauvoir und ihrem rund tausendseitigen Werk in Verbindung gebracht.
Dass man nicht als Frau geboren , sondern dazu gemacht werde, steht geradezu exemplarisch dafür, dass das Buch als bahnbrechend gilt. Erstmals hat de Beauvoir nämlich das Geschlecht als Kategorie in einer sozialwissenschaftlichen Betrachtung thematisiert. Ihr Fazit: Es besteht ein Unterschied zwischen dem biologischen Geschlecht und kultureller sowie sozialer Prägung - eben: Frau wird von ihrem Umfeld zur Frau gemacht. Patriarchalische Verhältnisse haben die Frau im Verlauf der Geschichte, aber auch das Individuum als «das Andere» definiert. Das war die Basis für die zweite Welle des Feminismus und die folgende feministische Forschung sowie für die Gender Theorie.
Und natürlich hat diese Aussage seither auch Künstlerinnen beeinflusst, zu eigenen Werken angeregt. Darauf fusst nun eine Ausstellung in der Galerie Hauser & Wirth in Zürich: «Seventy Years of The Second Sex. A Conversation Between Works and Words».
Kuratiert wurde die Ausstellung von Sophie Berrebi, Dozentin für Kunstgeschichte an der Universität Amsterdam: «Manche Werke in der Ausstellung eignen sich Ideen aus 'Das andere Geschlecht' an, andere erhellen, verwischen und verkomplizieren diese oder verweisen auf blinde Flecken in Beauvoirs Denken. In allen Fällen aber halten sie das Gespräch in Gang», lässt sie sich in der Mitteilung von Hauser & Wirth zitieren.
Berrebi hat der Galerie die Ausstellung vorgeschlagen, weil sie die junge Generation dazu animieren möchte, überhaupt de Beauvoirs Buch zu lesen und um das Bewusstsein wach zu halten, «dass das Patriarchat bis heute eine dominierende Macht in der Gesellschaft ist», sagte sie in einem Interview. Es sei nach wie vor einfacher, in tradierte Rollenmuster zurück zu fallen, als neue Rollen und Verhaltensweisen zu entwickeln oder auszuprobieren.
Berrebi möchte den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung vorführen, «was es heisst, eine Frau zu sein und was es heisst, eine Künstlerin zu sein». Dafür ausgesucht hat sie Werke von Louise Bourgeois, Geta Brătescu, Eva Hesse, Roni Horn, Zoe Leonard, Lee Lozano, Annaïk Lou Pitteloud, Cindy Sherman und Lorna Simpson. Die Wahl gerade dieser Künstlerinnen sei persönlich, sie alle hätten ihren Anteil daran, wie sie die Welt entdecke, sagt Berrebi im Interview.
Zum Beispiel die Skulptur «Femme Maison» (1994) von Louise Bourgeois: sie zeigt eine weibliche Figur mit einem Haus anstelle des Kopfs. Das Werk lässt sich als Kommentar dazu verstehen, wie die Frau in ihre Haushaltspflichten eingepfercht wird. Bourgeois’ ursprüngliche «Femme Maison» ist eine Serie von Zeichnungen, die Architektur und weibliche Figur verschmelzen. Sie ist Mitte der 1940er Jahre entstanden; ein Beispiel aus der Serie ist in der Ausstellung zu sehen.
«Seventy Years of The Second Sex. A Conversation Between Works and Words» zeigt Kunstschaffen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute. Ein Teil der Werke wird zum Verkauf angeboten. Die Ausstellung ist ab (dem morgigen) Freitag geöffnet und dauert bis am 21. Mai.
(SDA)