«Es ist schön zu sehen, dass man auch mit wenigem ein erfülltes Leben haben kann»
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Schweizer lebt in Angola:«Man kann auch mit wenigem glücklich sein»

Ulrich Josias Schubert (39) aus Basel über sein Leben in Angola
Basler wagt den Neustart in seiner alten Heimat

Ulrich Josias Schubert (39) aus Basel lebt seit Januar 2023 in Angola. Für ihn ist es eine Rückkehr und ein Neustart in dem Land, das er als Kind mit seiner Familie abrupt verlassen musste.
Publiziert: 03.11.2024 um 12:28 Uhr
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Bis zum Alter von sieben Jahren lebte Uli Schubert (links) mit seiner Familie in Luanda. Hier an einer Hochzeit mit dem älteren Bruder, der Mutter und den Grosseltern, die 1987 gerade aus Basel zu Besuch waren.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Ulrich Schubert fühlt sich in Angola wieder zu Hause
  • Der Basler plant, sich selbständig zu machen und Touristen «sein» Angola näherzubringen
  • Schubert lebt in einem Studio für 75 Franken monatlich
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Corine Turrini FluryRedaktorin Wohnen

«Hier fühle ich mich lebendig», sagt der Basler Ulrich Josias Schubert (39), der sich lieber Uli nennt über Luanda, die Hauptstadt von Angola. Er schwärmt vom Land im Südwesten Afrikas und von den Menschen. Von ganzjährig angenehmen Temperaturen, kilometerlangen Sandstränden am Atlantik und von der Wüste und dem Gebirge. Die Menschen seien sehr offen, zugänglich, kommunikativ und fröhlich. «Musik, Gesang und Tanz ist hier allgegenwärtig», so Schubert.

Seit Januar 2023 lebt er wieder in der Stadt mit den inzwischen fast zehn Millionen Einwohnern, wo er geboren wurde und mit seinen Eltern und drei Geschwistern die ersten sieben Jahre seines Lebens verbracht hatte und an einer französischen Schule eingeschult wurde.

Unfreiwillige Rückreise in die Schweiz

Schuberts Kindheit in Angola fand ein abruptes Ende: Bei einem Heimaturlaub in der Schweiz wurde 1992 der Entscheid gefällt, dass Schuberts Eltern aufgrund der politischen Unruhen und dem Bürgerkrieg, der damals auch die Stadt Luanda erreicht hat, mit ihren Kindern nicht mehr zurück nach Angola reisen können. 

Zu gefährlich sei es inzwischen auch in der Hauptstadt geworden, befand das kirchliche Hilfswerk, für das Schuberts Eltern tätig waren. «Es war schwierig für meine Eltern, sich wieder in der Schweiz neu zu orientieren und für mich als Kind war dieser Bruch traumatisch», sagt Schubert. Weg von den «Gspänli» ohne Abschied, Spielsachen, wie Kinderbücher oder seinem Lieblingslastwagen, die in der Wohnung in Luanda zurückgeblieben sind. Das hat den kleinen Uli damals besonders belastet.

Neustart nach Beziehungsende

«An diesen abrupten Abschluss wollte ich wieder neu anknüpfen und meine Beziehung zu meiner alten Heimat wieder neu aufbauen», sagt der Sprachwissenschaftler, der als Deutschlehrer tätig war, über seine Beweggründe für die Auswanderung nach Angola. Einige Reisen nach Luanda hat Schubert im Vorfeld noch unternommen und war auch als Berater für ein Bildungsprojekt in Angola im Einsatz. Seit 2012 hat Schubert neben seiner Schweizer Staatsbürgerschaft aufgrund seines Geburtsortes auch den Pass von Angola.

2023 setzte der Singlemann seine Auswanderungspläne nach der Trennung von seiner damaligen Partnerin um. «Der Zeitpunkt für meinen Neustart in Luanda war gut. Mich hielt nach der Trennung 2022 nichts in der Schweiz zurück.» In einer internationalen Firma fand er im Logistikbereich eine Anstellung und für rund 480 Franken monatlich eine kleine Wohnung. «Nach der starken Inflation kostete mich die Miete mit meinem Lohn, den ich in US-Dollar erhielt, nur noch die Hälfte. Für die lokale Bevölkerung wurde aber mit der Inflation und der damit verbundenen Abwertung der Landeswährung Kwanza das Leben erheblich schwieriger», so der Doppelbürger.

Aufschwung in Angola

Wirtschaftlich und touristisch sei Angola aufstrebend. «Luanda wird inzwischen immer mehr als Dubai in Afrika angepriesen und das Land will den Tourismus fördern», weiss Schubert. Das zeigt sich beispielsweise an internationalen Unternehmen oder Banken, die in den modernen Hochhäusern in der Hauptstadt ihre Büros haben. In schicken Bars, Beachclubs oder Restaurants an der Promenade und am Strand lässt es sich nach der Arbeit angenehm entspannen und in den Supermärkten findet sich in Luanda auch alles was, was Expats sich gewohnt sind. Das ist aber nicht unbedingt Schuberts Welt «Ich kaufe lieber in den Markthallen ein oder bei Strassenhändlern. Das ist besser und günstiger», so Schubert.

Er verbringt seine freie Zeit gern mit ausgedehnten Spaziergängen an den Stränden oder bei angeregten Gesprächen mit einheimischen Freundinnen und Freunden bei einem Essen. «Die jungen Leute in Luanda haben kreative Ideen, sind neugierig auf die Aussenwelt und ich finde ihren Blick auf die Welt interessant.»

Selbstständigkeit in Angola geplant

Auch Schubert hat Ideen, die er in seiner zweiten Heimat umsetzen will: «Ich möchte mich im neuen Jahr selbständig machen und Touristen Angola näherbringen.» Um Kosten zu sparen, hat er seine Wohnung in Luanda aufgegeben und lebt in einem kleinen Studio mit Dusche und Kochgelegenheit. Das Studio in der Hauptstadt kostet ihn umgerechnet noch 75 Franken monatlich.

Keine exklusiven Lodges wie in Namibia möchte Schubert anbieten, sondern individuelle Reisen für Gäste, die an Kultur, Begegnungen mit Einheimischen, Landschaft und Natur interessiert sind. «Ich hatte schon einige Freunde hier zu Besuch, die beeindruckt waren, von diesem noch eher unbekannten Reiseland und den freundlichen Menschen. Das hat mich für meine geplante Selbständigkeit ermutigt», sagt Schubert.

Verbundenheit trotz Schattenseiten

Die Schattenseiten wie sichtbare Armut, Strassenkinder und Kriminalität in Luanda will er nicht beschönigen. «Es gibt Gegenden, wo man sich beim Eindunkeln nicht allein aufhalten sollte. Das gibt es aber auch in bekannten Reiseländern wie Brasilien oder Südafrika», weiss er. Schwer tut sich Schubert auch mit der Bürokratie in seiner zweiten Heimat. «Für einfache Dinge wie eine Adressänderung braucht man Stunden auf den Ämtern in Luanda. Wer es sich leisten kann, engagiert dafür Boten.» Dennoch ist dem Basler die Verbundenheit zu seinem Geburtsland anzumerken und die unkomplizierte Lebensart der Bevölkerung, entspricht ihm. «Sie sind direkt und ehrlich. Man findet leicht Kontakt und Austausch.» Schubert verdeutlicht das am Beispiel einer Taxifahrt. «Bei der Ankunft kannte ich fast die ganze Lebensgeschichte des Fahrers und seine Familienprobleme», erzählt er. Es sind solche Begebenheiten und Begegnungen, die er an Angola und den Menschen dort schätzt und die er manchmal bei der Schweizer Mentalität etwas vermisst. «Die Distanz zwischen der Schweiz und Luanda ist gross und das meine ich nicht nur anhand der Kilometer», sagt Schubert.

Familienbesuch in der Schweiz

Eine gänzliche Rückkehr in die Schweiz kann er sich daher eher weniger vorstellen, auch wenn ihm in Luanda seine Familie oftmals fehlt. Bis Ende Jahr wird Schubert aber wieder bei seiner Familie in Basel wohnen und Geld verdienen für sein geplantes Tourismusprojekt in Angola. Im Januar wird er wieder Abschied von der winterlichen Schweiz und seiner Familie nehmen und in die feucht tropische Wärme von Luanda zurückreisen. Schon jetzt freut er sich wieder auf Land und Leute in seiner afrikanischen Heimat: «Jedes Mal, wenn ich aus dem Flugzeug in Angola steige, weiss ich: Hier bin ich zu Hause.»

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