Schweizer erlebt Schmutz-Schock in seiner Unterkunft
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Er wandert durch Asien:Schweizer erlebt Schmutz-Schock in seiner Unterkunft

Trotz Krisen, Kriegswirren und Krankheiten
Zu Fuss unterwegs auf die Philippinen

Der Berner Thomas Oliver Kellenberger (40) ist seit über einem Jahr zu Fuss unterwegs auf die Philippinen. Die Strecke von Wilderswil BE bis nach Thailand hat er inzwischen geschafft und dabei einige Höhen und Tiefen erlebt. Im Frühling soll er an seinem Ziel ankommen.
Publiziert: 19.02.2023 um 10:56 Uhr
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Aktualisiert: 20.02.2023 um 11:06 Uhr
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Schon bis nach Thailand hat es der Berner Thomas Oliver Kellenberger grösstenteils zu Fuss geschafft. Was er unterwegs braucht, sind rund 20 Kilogramm Gepäck, das er im Rucksack mit sich trägt. Darunter ein Zelt, eine aufblasbare Matte und sein Schlafsack.
Foto: Zvg

«Ich hatte unterwegs einige Krisen und wenn es nicht für die Kinder wäre, hätte ich meine Reise wohl schon längst aufgegeben», so Thomas Oliver Kellenberger. Der Schweizer, der von allen nur Thom genannt wird, erzählt Blick am Telefon von seinen Erlebnissen. Er macht gerade einen mehrtägigen Halt in einem Hostel in Pai im Norden von Thailand. Auch wenn Kriegswirren, Krankheiten und die Liebe seinen Plan immer wieder durchkreuzten und ihn zu Umwegen zwangen, sein Ziel, die Philippinen, hat der ehemalige Polizist nie aus den Augen verloren.

Blick hat über den Berner und seinen Fussmarsch für einen guten Zweck berichtet, als er im Dezember 2021 Bulgarien erreichte. Seine Reise startete er Ende August 2021 in Wilderswil BE. Rund 15’000 Kilometer will Kellenberger zu Fuss zurücklegen. Damit will er auf die Situation von missbrauchten Kindern auf den Philippinen aufmerksam machen und Geld für ein Kinderdorf sammeln. Mit seiner inzwischen verstorbenen Mutter Ruth gründete er den Schweizer Förderverein Island Kids Philippines und später die Kinderhilfsorganisation Philippine Island Kids Foundation. Seit 2010 lebt der Schweizer auf den Philippinen.

11’460 Kilometer hat Kellenberger bereits zurückgelegt. Mit seinem Fussmarsch hat er schon rund 91’000 Franken Spenden gesammelt. Seine Reise wird von einem Sponsor finanziert, der auch das Kinderhilfswerk seit Jahren unterstützt. Kellenberger verteilt ausserdem in allen Ländern Visitenkarten, um weitere Spenden für sein Projekt «Kuya Thom» zu generieren.

Lebensmittelvergiftungen und Parasiten

Meistens ist er allein unterwegs. Es haben ihn aber auch schon Freunde ein Stück des Weges begleitet. Mit einem hat Kellenberger seinen persönlichen Streckenrekord erlebt und über 90 Kilometer in 22 Stunden zurückgelegt. «Dieser Freund läuft Marathon und hat mich ziemlich angespornt», erklärt Kellenberger. Normalerweise legt er pro Etappe etwa 40 Kilometer zurück, je nach Höhenlage und Terrain.

Nach der anstrengenden Strecke mit Schnee und Regen auf oft verschlammten Wegen, fanden die beiden ein Hotel mit Wellnessbereich zum Schnäppchenpreis von rund fünf Franken pro Nacht. Hier konnten sie sich erholen, bevor es weiter ging nach Georgien, und durch die Wüsten von Kasachstan und Usbekistan. «Ausser Saison finden sich gute Preise in der Türkei. Für den gleichen Preis fand ich in Bangladesch und Indien ganz eklige Unterkünfte in Hostels», erzählt Kellenberger.

Bei solchen Billigst-Unterkünften verwundert es wenig, dass er auf seiner Reise schon zweimal eine Lebensmittelvergiftung und Parasiten hatte. Wenn immer möglich, campiert Kellenberger in seinem Zelt, das er mit seinem 20-Kilo-Gepäck mit sich trägt oder in einem Kinderwagen schiebt.

«Ich habe auf meinem Fussmarsch schon ziemlich Gewicht verloren», so Kellenberger. «Als ich dann erkrankte, musste ich länger als geplant pausieren, bis ich wieder weiter laufen konnte.» Viel Glück hatte der Schweizer, als er allein im indischen Himalayagebiet auf dem Gletscher stürzte und sich beim Absturz lediglich Prellungen und Schürfungen zuzog.

Etappen mit Flugzeug und Zug wegen Unruhen und Krieg

Umwege und Planänderungen brachten für Kellenberger auch der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine im Frühling 2022 und die herrschenden Unruhen in Myanmar. «Russland liess ich ganz weg», erzählt er. Für die Durchreise zu Fuss in Myanmar hat er wegen der Unruhen kein Visum von der Botschaft erhalten.

Einen Teil seiner Reise hat Kellenberger darum ungeplant mit dem Flugzeug und dem Zug zurückgelegt. «Diese Kilometer werde ich aber zu Fuss kompensieren, indem ich statt wie geplant im Süden, vom Norden in die Philippinen reise und fast das ganze Land zu Fuss durchquere», so der Berner.

Liebe und Tränen unterwegs

Einen schönen Nebeneffekt hatte die ungeplanten Flüge von Tadschikistan nach Leh in Indien. Kellenberger lernte beim Check-in am Flughafen eine junge Frau aus Israel kennen. Die beiden Reisenden checkten später im gleichen kleinen Gästehaus in Leh in ein, wo Kellenberger wieder etwas länger als vorgesehen blieb. «Sie war sich die Höhenunterschiede nicht gewohnt und erkrankte. Ich habe mich um sie gekümmert, bis sie aus dem Spital konnte und es ihr wieder besser ging und wir weiterreisen konnten.»

An der pakistanischen Grenze trennten sich ihre Wege wieder. Dem Schweizer stand ein mühsamer und einsamer Fussmarsch im Gebirge von Ladah im Himalayagebiet bevor. «Es war nur eine platonische Liebe und wir hatten unterschiedliche Pläne. Ich hatte aber schon Schmetterlinge im Bauch und später allein unterwegs sind bei mir schon einige Tränen geflossen», verrät er.

Viel Gastfreundschaft von Fremden

Auf seinem Fussmarsch bleibt Kellenberger mit seinem Team auf den Philippinen immer in Kontakt und arbeitet, wenn er eine Internetverbindung hat. Oft melden sich bei ihm ehemalige Schützlinge, die seinen Rat oder Hilfe brauchen. «Dann organisiere ich von unterwegs die nötige Unterstützung mit meinem Team.» Das sind Momente, die ihm den Sinn seiner Reise wieder bewusst machen, ihm Kraft zum Erreichen seines Ziels geben und den Liebeskummer vergessen lassen.

Die vielen Begegnungen und Bekanntschaften unterwegs entschädigen Kellenberger für seine Strapazen durch den Dschungel, über Gebirge, durch laute Städte oder kleine Dörfer. Oft wird der Schweizer zu Einheimischen zum Essen eingeladen und kann bei ihnen übernachten. Er lobt die Gastfreundschaft, die ihm insbesondere in muslimischen Ländern und in Zentralasien von ganz einfachen Menschen entgegengebracht wurde. «Geld wollten sie meistens nicht annehmen. Ich habe aber jeweils versteckt unter dem Kopfkissen oder so Geld hinterlassen.»

Weihnachten am Strassenrand in Indien

Schöne Erinnerungen hat er auch an die letzte Weihnacht in Indien. Nach einem Schulbesuch eines Hilfswerks in Sarnath wurde er am Abend von einer Schülerin, die mit ihrer Familie am Strassenrand in einer primitiven Unterkunft hauste, wiedererkannt und angesprochen. Daraus wurde spontan ein gemeinsamer Weihnachtsabend mit einem Essen bei der armutsbetroffenen Familie.

Kellenberger erzählt: «Ich habe der Familie Essen gekauft und für die Kinder Weihnachtsgeschenke. Der kleinen Samira habe ich extra ein Buch mit persönlicher Widmung gekauft und sie ermuntert, weiterhin zur Schule zu gehen und nie aufzuhören zu lernen.»

Ziel im Frühling erreicht

Bessere Perspektiven für armutsbetroffene Kinder ist Kellenbergers Ziel im zweiten geplanten Kinderdorf auf den Philippinen. Wie viel er damit bewirken kann, weiss der Schweizer von seinem ersten Kinderdorf mit Schule und Tagesstruktur. Dafür ist der Schweizer weiter unterwegs und will das nötige Geld sammeln für eine bessere Zukunft der philippinischen Kinder. Von Thailand geht sein Fussmarsch jetzt weiter nach Laos und nach Vietnam. Geplant ist die Ankunft des Schweizers in seiner zweiten Heimat, den Philipinen, im Mai – wenn alles gut geht.

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