Für Nicolas Jud und Smilla Berger auf Langkawi ist bald Schlafenszeit, als Blick mit ihnen telefoniert. Die Nacht verbringen sie in einem günstigen Hotel, bevor es am nächsten Tag zurück aufs Festland von Malaysia geht und sie mit ihren Tourenvelos und Gepäck weiter in Richtung in Australien strampeln. «Mein Bruder lebt in Auckland und wir wollen ihn dort besuchen», sagt Nicolas Jud, der im Eventmarketin tätig war.
Die abenteuerliche Idee, mit dem Velo nach Australien zu reisen, kam von ihm. Als Kind war er mit seinen Eltern auf leichten Fahrradtouren. «Besondere Erfahrung und viel Ahnung hatte ich nicht. Wir haben uns auch nicht speziell auf die Reise vorbereitet. Mein Vater ist aber erfahrener und hat uns bei der Planung unterstützt», sagt Jud.
Im Internet haben sich die Berner über geeignete Tourenvelos und Ausrüstung informiert. «Für die Ausrüstung fanden wir auf Anfrage einen Sponsor, der relativ unkompliziert unsere Idee so unterstützen wollte», so Jud.
Erste Bewährungsprobe gleich nach dem Reisestart
Die selbständige Illustratorin Smilla Berger kündigte ihre Wohnung und ihren Nebenjob in einem Restaurant und auch Nicolas Jud gab sein WG-Zimmer auf, um Geld zu sparen. Einen Monat wohnte das Paar im Haus von Juds Eltern in Wilderswil, bis ihr Abenteuer im Juni 2023 startete.
Schon am ersten Tag stand mit dem Grimselpass eine erste Herausforderung für die beiden an und auch der Nufenenpass verlangte den Hobby-Radler einiges ab. «Auf der Passhöhe waren wir stolz und freuten uns, dass wir die ersten Bewährungsproben gemeistert haben. Uns wurde aber schnell klar, dass wir etwas naiv an diese verrückte Idee herangegangen sind und das Ganze unterschätzt haben», sagt Smilla Berger lachend.
Ausrüstung und Orientierungshilfen
Den ersten Monat ihrer Tour in Europa wollte das Paar vor allem nutzen, um Erfahrung zu sammeln. Zu den ersten Erkenntnissen gehörte auch, dass sie zu viel Gepäck dabei haben. Mehr als ein bis zwei T-Shirts seien überflüssig und Ballast. Neben Zelt, Liegematten, Schlafsäcken haben sie mit einem Fixleintuch einen kleinen «Luxus» dabei. «Es schläft sich etwas angenehmer, wenn nicht immer ein Spalt zwischen den beiden Schlafmatten ist», sagt Berger lachend.
Schlaf und Erholung ist auf der anstrengenden Velotour mit täglich etwa 70 Kilometern, wie durch die Wüste im Oman bei Temperaturen von 40 Grad oder auf komplett überfüllten Strassen und Chaos wie in Mumbai wichtig. Je nach Tagesverfassung, Höhenmetern, Strassen- und Windverhältnissen variieren die Fahrzeiten und Distanzen auf den jeweiligen Etappenzielen. «In der Wüste mussten wir wegen der Hitze frühmorgens fahren und schon nach wenigen Stunden pausieren. Das war brutal und ich bekam Kopfschmerzen», so der Berner.
An Tankstellen haben sie sich im Vorfeld mit ausreichend Wasser als Vorrat durch die Wüste ausgestattet. Ihre Reiserouten planen sie mit Google Maps und orientieren sich mit weiteren Navigationsprogrammen. «Tankstellen und Raststätten sind da gekennzeichnet und fast alle sind rund um die Uhr geöffnet», so Jud. Aus geopolitischen Gründen im Nahen Osten haben die Schweizer nicht immer die kürzeste Route gewählt und Teilstrecken mit dem Flugzeug hinter sich gebracht. Iran und Pakistan konnten sie so umgehen und gelangten von Dubai in den Oman. «Wir gehen keine zusätzlichen Risiken ein und möchten nicht, dass unsere Eltern und Grosseltern sich sorgen», sagt Berger.
Unterkünfte unterwegs
Am liebsten übernachtet das Paar im eigenen Zelt irgendwo in der Natur. In Grossstädten ist das nicht möglich. «Da suchen wir günstige Unterkünfte, aber nicht die billigsten», sagt Berger. Von Bildern im Internet lassen sie sich nach einigen negativen Erfahrungen nicht mehr täuschen und begutachten seither die Zimmer im Vorfeld. Mit Ekel erinnert sich Smilla Berger an eine ganz üble Unterkunft in Mumbai, die sie mit Kakerlaken teilten.
Als bisherige Highlights erwähnt das Paar Sri Lanka, wo Smilla Bergers Mutter während zwei Wochen mit dem Paar von Colombo Richtung Süden mitgefahren ist oder Thailand, wo sie bei einem Reisbauer an einem Gewässer übernachten konnten oder den Oman. Weil wir nur ein bis zwei Tage an einem Ort sind, sehen wir unsere Reise auch als Scouting für einen späteren Aufenthalt, wo wir mit mehr Zeit Land und Leute besser kennenlernen möchten. Oman gehört mit Sicherheit dazu», erklärt Berger. Weniger begeistert waren sie von der Türkei. Nicolas Jud: «Das war fast ein Kulturschock und zudem kulinarisch ungewohnt. Viele Einheimische sprachen dort auch kein Englisch.»
Positive Zwischenbilanz trotz Pannen
Die Zwischenbilanz der Berner nach der Hälfte ihres Abenteuers fällt aber positiv aus. Auch von grösseren Pannen blieben sie bis jetzt verschont. «Bremsklötze, mussten wir ersetzen und Pneus oder auch mal eine Pedale. Das ist aber normal bei diesen Strecken und Strassen», weiss Jud.
Mit dem Zweirad auf einer solchen Tour sei anstrengend, dafür werde die Landschaft intensiv wahrgenommen, ergänzt die Partnerin. Zudem habe diese abenteuerliche Reise ihre knapp siebenjährigen Beziehung noch mehr gefestigt, ist sich das Paar einig. Nicolas Jud: «Auf einer solchen Reise mit Strapazen kann man nichts mehr verbergen und erlebt sich ungeschönt. Man ist aufeinander angewiesen, muss Lösungen suchen und Kompromisse eingehen.»
Weiter Richtung Ziel
Bei allen positiven Eindrücken und Erfahrungen auf ihrer Reise durch bisher 16 Länder, ist das Berner Paar froh, wenn sie ihr Ziel Neuseeland erreichen. Das dürfte voraussichtlich im Juli der Fall sein. Bis dahin heisst es noch weiter kräftig in die Pedalen treten.
Vorerst freuen sich noch auf ein Treffen mit einem Freund unterwegs in Bali, bevor sie in Auckland Juds Bruder wiedersehen und sich mit der Familie, die mit dem Flugzeug nach Australien reisen wird, von den Strapazen ihrer aussergewöhnlichen Veloreise erholen können.