«Wollen wir morgen Spaghetti machen?», fragt Daniel Schmitz (19) seine Mitbewohnerin Gila Fankhauser (66), als BLICK die beiden in ihrer Wohnung besucht. «Nicht schon wieder», antwortet Fankhauser. Nach einer kurzen Diskussion einigen sich die beiden auf Risotto mit Pilzen und Weisswein, einen Salat dazu und zum Dessert Vanille-Glace mit Amarena-Kirschen. «Die Kirschen mögen wir beide extrem gern», erklärt Fankhauser. Kochen und Essen sind Leidenschaften, die den Tontechnik-Studenten und die Rentnerin verbinden. Da ist aber noch einiges mehr.
Seit Juli bewohnen der Student und die Rentnerin eine Viereinhalb-Zimmer-Wohnung auf dem Hunziker-Areal in Zürich-Oerlikon für 2260 Franken pro Monat. Die Baugenossenschaft «Mehr als Wohnen» bietet hier ökologisches und gemeinschaftliches Wohnen für rund 1200 Personen.
Eine Stunde Hilfe pro Monat und Quadratmeter Wohnraum
Gemeinschaft und Nachhaltigkeit sind weitere Gemeinsamkeiten, die den 19-Jährigen und die 66-Jährige verbinden. Gefunden haben sich die zwei über das Angebot «Wohnen für Hilfe» von Pro Senectute Kanton Zürich. Studentinnen und Studenten unterstützen Senioren in Haushalt und Alltag, dafür bezahlen sie keine Miete. Als Tauschregel gilt: eine Stunde Hilfe pro Monat und Quadratmeter Wohnraum. Dazu kommen die Nebenkosten. Aktuell gibt es 25 solche Wohngemeinschaften im Kanton Zürich. Im Vordergrund des Projekts steht dabei der Austausch zwischen den Generationen.
Gila Fankhauser leidet unter Arthritis und Rheuma und kann verschiedene Alltagsarbeiten nicht mehr selber erledigen. «Ich habe mir Gedanken gemacht, wie das für mich weitergehen könnte und auch Altersheime angeschaut, aber das hat mich nur deprimiert.» Sie selber hat früher bei Pro Senectute Kanton Zürich gearbeitet und kannte daher auch das Angebot «Wohnen für Hilfe». Also hat sie beschlossen, sich dafür anzumelden. Schliesslich wurde ihr Daniel Schmitz vorgeschlagen, der seit März 2018 für das Projekt angemeldet war.
Für Senior wie Junior passte es vom ersten Augenblick an
«Es war Liebe auf den ersten Blick», beschreibt Hauptmieterin Fankhauser das erste Treffen mit dem jungen Studenten. Das sei natürlich rein platonisch zu verstehen, ergänzt die fünffache Grossmutter lachend. «Daniel könnte ja mein Enkel sein.» Auch für den jungen Studenten passte das von Anfang an. «Wir sind ein gutes Duo und arbeiten gut zusammen.»
Ein dritter Mitbewohner, ein Architekt aus Griechenland, teilt die Wohnung mit Fankhauser und Schmitz. «Das ist eine Auflage der Genossenschaft für die Belegung einer Wohnung in dieser Grösse», erklärt Fankhauser. Im Gegensatz zum Architekten, der 800 Franken Miete bezahlt, wohnt Schmitz fast gratis in der WG, leistet aber rund 15 Stunden Arbeit für seine Vermieterin und bezahlt 100 Franken an die Nebenkosten.
Küche und das eigene Bad seiner Vermieterin reinigen, staubsaugen, Böden feucht aufwischen und einkaufen: Das sind die Aufgaben, die Daniel Schmitz für seine Vermieterin übernimmt. Im Küchenschrank hängt sein Ämtli-Plan. «Den habe ich mir selber erstellt. Am Samstag ist mein Putztag», sagt Schmitz. Bis zum Sommer wohnte er mit seinen beiden Geschwistern noch bei seinen Eltern. «Das Putzen bin ich mir gewohnt. Wir haben bei den Eltern auch immer mitgeholfen.» Als Ersatz-Mami sieht er seine Vermieterin aber keineswegs.
Der «Zauberlehrling» profitiert von Gilas Kochkünsten
Beiden ist aber der tägliche Austausch mit Gesprächen und gemeinsame Aktivitäten wie Konzerte innerhalb der Genossenschaft wichtig. Jeden Freitag bietet die kontaktfreudige Gila Fankhauser bei sich zu Hause einen Mittagstisch für jeweils sechs Gäste an. «Da kann zu mir kommen, wer Lust hat.» Daniel hilft dann beim Kochen mit. Danach lernt er im Zimmer oder trifft sich mit gleichaltrigen Freunden.
«Ich finde Gila ist beispielsweise computertechnisch stark unterwegs, und ich kann von ihr in einigen Bereichen wie beim Kochen viel profitieren», sagt Schmitz. Die Rentnerin lobt die Sorgfalt und die Kochkünste des jungen Mannes und nennt ihn lachend «meinen Zauberlehrling». Und was meinen die Freunde des Studenten zu seiner WG mit der Rentnerin? «Die finden das eigentlich alle ziemlich cool.»