Raus aus dem System
Seit fünf Jahren im VW-Bus unterwegs

Die meisten Ferienreisenden sind zurück im Alltag. Nicht so das Zürcher Ehepaar Hutter. Vor fünf Jahren haben die beiden mit Hündin Kalea den Alltag hinter sich gelassen und reisen seither in einem VW-Bus durch Amerika. Dabei lief nicht immer alles rund.
Publiziert: 25.08.2019 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2019 um 11:22 Uhr
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In Kanada war für Andreas und Pamela Hutter Neufundland ein Highlight. Da war das Paar oft froh um die Standheizung im VW-Bus.
Foto: zVg
Corine Turrini Flury

«Als wir damals unseren Familien mitteilten, dass wir unsere Zelte in der Schweiz abbrechen und den amerikanischen Kontinent bereisen möchten, waren sie wenig begeistert und eher besorgt», erinnert sich Andreas Hutter (40). «Besonders in Bezug auf die Sicherheit in den lateinamerikanischen Ländern.» Ganz unberechtigt waren die Bedenken nicht, wie Pamela Hutter-Bianchini (32) und ihr Ehemann aus Erfahrung wissen. «Wir sind aber schon vorher oft und weit gereist und wissen, worauf zu achten ist», sagt sie. 

Das Paar aus Zürich, das seit acht Jahren verheiratet ist, liess sich daher nicht beirren und sparte für den gemeinsamen Traum, mit einem umgebauten VW-Bus auf der Panamaricana-Route von Argentinien nach Alaska zu reisen. Ihr Projekt «Pandilea», das sich aus Teilen der Vornamen des Paars und ihrer Mischlingshündin Kalea zusammensetzt, war geboren. 

Intensive Vorbereitungszeit 

Sein ganzes Hab und Gut hat das Ehepaar verkauft und die Jobs (er Filialleiter, sie Bereichsleiterin) gekündigt. Nach umfangreichen Vorbereitungen starteten Pamela, Andreas und Kalea im Oktober 2014 in ihr Abenteuer. Erste Etappe: der Flug von Zürich nach Buenos Aires in Argentinien.

Ihr VW-Bus, den Freunde zu einem passenden Zuhause auf Rädern umgebaut haben, wurde im Vorfeld verschifft und traf wenige Tage später ebenfalls in Buenos Aires ein. Andreas Hutter im Gespräch mit BLICK: «Etwa zwei Jahre vor der Abreise haben wir unseren VW-Bus für rund 20’000 Franken gekauft und in unendlich vielen Stunden optimiert, um alles auf unsere Bedürfnisse anzupassen.»

Eiserne Reserven und Einkünfte

So konnten Hutters ihre lang ersehnte Abenteuerreise mit ihrem VW-Bus in Südamerika starten. Auf Social Media berichten sie seither unter «Pandilea» in Bild und Text ausführlich über ihre Eindrücke und Erfahrungen. Mit Tipps, wie beispielsweise für sichere Routen, technischen Ratschlägen für Fahrzeuge, Kostenplanung, Visa oder über die besonderen Vorkehrungen für Reisen mit Tieren, steht das Paar anderen Reisenden zur Verfügung. Über ihren «Pandilea»-Online-Shop verkaufen sie unter anderem auch Shirts oder Rucksäcke.

«Damit können wir uns etwas für unsere Lebenskosten unterwegs dazuverdienen», erklärt Andreas Hutter. Das restliche Geld für ihr bescheidenes Leben haben sie im Vorfeld zusammengespart. Unterwegs arbeiten sie immer wieder mal bei Einheimischen gegen Kost und Logis. «Wenn man so reist, sind die Kosten tief, und für Unvorhersehbares wie Reparaturen haben wir immer etwas auf der Seite», so Pamela Hutter. 

Pannen unterwegs 

Nötig waren Reparaturen mehr als nur ein Mal. Wegen einer defekten Zündspule streikte der VW-Bus ausgerechnet in einer abgelegenen Gegend in Kanada. Ein hilfsbereiter Truckfahrer schleppte den Bus zuerst rund 80 Kilometer zu einer Tankstelle ab. Dank einer Rampe vor Ort konnte das Fahrzeug für die restlichen 400 Kilometer in den Anhänger geladen werden. Damit gelangte er in den nächstgrösseren Ort, wo er schliesslich repariert werden konnte.

Komplizierter war ein Getriebeschaden in Mexiko auf dem Weg in die Karibik kurz vor Weihnachten 2018. «Die Ausgangslage war nicht einfach. Es gab keine passenden Ersatzteile. Nur schon die richtigen Werkzeuge zu finden, um ein spezielles Getriebe wie unseres zu öffnen, ist dort fast unmöglich», erinnert sich Andreas Hutter. Sie mussten deshalb einen Wagen mieten und mit dem ausgebauten Getriebe extra rund 4000 Kilometer in die Vereinigten Staaten (und wieder zurück) fahren, um das Teil bei einem Spezialisten in Los Angeles reparieren zu lassen. «Pamela und ich waren nach diesem ungeplanten Abenteuer überglücklich und voller Emotionen. Wir hatten unser Zuhause wieder und konnten nach Wochen unsere Reise in die Karibik fortsetzen.» 

Ungemütliche Begegnungen und Heimweh

Geplant hatten Hutters ihre Reise von der Schweiz aus. Ziel: Alaska. Nach rund drei Jahren war das Ziel erreicht. An eine Heimreise dachten die beiden aber da längst nicht mehr. Auch wenn sie manchmal das Heimweh nach den Familien plagt. «Dank moderner Kommunikationsmittel wie Skype haben wir regelmässig Kontakt mit unseren Liebsten», so Pamela Hutter. «Sie haben uns auch schon auf unserer Reise besucht. Das macht die Trennung für alle etwas leichter, und unsere Familien sind so auch beruhigter.»

Sicher fühlt sich das Paar nicht zuletzt auch wegen Hündin Kalea, die über Nacht draussen bleibt und Wache hält. «Sie macht einen guten Job und gibt sofort an, wenn sie etwas hört», sagt Andreas Hutter. Zudem fahren sie nie in der Nacht, da die Strassen oft in schlechtem Zustand sind und es keine Strassenbeleuchtungen gibt.

Dennoch hatten auch die Hutters schon ein flaues Gefühl in der Magengrube – und Begegnungen mit dubiosen Gestalten. Etwa, als sie Checkpoints in Mexiko überqueren mussten. Das Land ist für Drogen und Bandenkriege sowie Korruption und Schutzgelderpressung bekannt. «Nicht alle dieser bewaffneten Männer in Uniformen, die dort Reisende kontrollieren, sind vom Militär oder der Polizei», weiss Andreas Hutter. Besonders für Ehefrau Pamela, die fliessend Spanisch spricht und deshalb den vermummten Gestalten vorwiegend Rede und Antwort stehen muss, sind diese Kontrollen jeweils ungemütliche Momente. «Das kommt aber eher selten vor, und inzwischen wissen wir, wie wir uns verhalten müssen», so die 32-Jährige. 

Kein Ende in Sicht

In allen Ländern hat das Paar aber vorwiegend freundliche und hilfsbereite Einheimische sowie andere Reisende kennengelernt. Sie haben Freundschaften geschlossen und Kontakte geknüpft. Inzwischen haben sie den grössten Teil des Kontinents bereist.

Im Moment sind sie noch bis Ende August in einem Hotel in Mexiko, das sie für mehrere Wochen stellvertretend für ein befreundetes Paar führen können. «Es ist schon auch mal wieder angenehm, etwas mehr Platz und Komfort zu haben als in unserem Bus», gesteht Andreas Hutter.

Aber auch wenn ihr Wohnraum im VW-Bus eng und einfach ist, geniessen die beiden die gemeinsame Zeit in vollen Zügen. Kein Wecker, der klingelt, keine Verpflichtungen. Und: «Wir wollten einfach mal raus aus dem System und haben als Paar so viel Zeit für- und miteinander wie nie zuvor», sagt die Ehefrau.

So werden die Zürcher auch nach dem Hotelaufenthalt in Mexiko weiterziehen. Andreas Hutter: «Wir werden wieder Richtung USA tuckern und unser Abenteuer im VW-Bus auf unbestimmte Zeit fortsetzen.»

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