Der Werbeslogan ist so verführerisch wie das Knusperhäuschen aus dem Märchen Hänsel und Gretel: Für einen sechsstelligen Betrag Besitzer einer Liegenschaft werden, die eine jährliche Rendite von 5 bis 9 Prozent abwirft. Hänsel und Gretel werden in diesem Stück von Anlegern gespielt, die ihr Portfolio diversifizieren möchten. Die Rolle der Hexe übernehmen Unternehmen, die das Crowdfunding-Prinzip auf den Immobilien-Markt übertragen haben: Sie reservieren eine Liegenschaft und suchen (in der Regel via Internet) neue Besitzer. Die Betonung liegt dabei auf dem Plural, denn die Last des Eigenkapitals soll auf mehrere Schultern verteilt werden.
Finden sich genug Investoren, geht die Immobilie mitsamt ihren Rechten und Pflichten in deren Hand über. Das Crowd-Unternehmen sichert sich eine Maklergebühr und allenfalls weitere Boni durch Zusatzdienstleistungen. Die Vorteile zu herkömmlichen Immobilien-Investments liegen auf der Hand: Es braucht deutlich weniger Eigenkapital, als wenn man eine Liegenschaft alleine kauft und im Gegensatz zu Immobilien-Fonds ist man direkt Eigentümer einer Liegenschaft und kann sich diese auch selber aussuchen.
Langfristige, teure Anlage
Seit drei Jahren gibt es das Prinzip der Crowd-Immoblile in der Schweiz, begonnen hat es in den USA. Die Idee funktioniert, seit 2015 wurden hierzulande Mehrfamilienhäuser im Wert von über 350 Millionen Franken an Investoren vermittelt. Das ist insbesondere deshalb eindrücklich, weil der Schweizer Markt sehr überschaubar ist. Es gibt aktuell drei Anbieter, wobei die Crowdhouse AG aus Zürich die Konkurrenz erdrückt. 40 Projekte hat die Firma bereits abgeschlossen, die anderen zwei Anbieter - ImmoYou und Crowdli – je eins. Bei Crowdhouse werden derzeit 100'000 Franken Mindest-Investment verlangt, bei der Konkurrenz sind es zwischen 25'000 und 100'000 Franken. Die Investoren bringen rund 50 Prozent des benötigten Kapitals. Der Rest wird via Hypothek finanziert. Auch wenn Ausscheiden jederzeit möglich ist, ist der Gedanke, dass die Investoren mindestens so lange dabei bleiben, wie die Laufzeit der Hypothek dauert. «Unser Produkt richtet sich an vermögende Personen, die einen entsprechenden Anlagehorizont mitbringen», stellt Crowdhouse-Sprecher Michael Meier klar. «Wir wollen die Anzahl an Miteigentümer auf einem überschaubaren Niveau halten – idealerweise zwischen 20 und 30 Investoren.»
Dass die Hypothek die Gebäude mitfinanziert, ist ein Grund für den Erfolg des Konzepts. Dadurch können die Unternehmen mit Traum-Renditen werben: Bei Crowdhouse lag die durchschnittliche Eigenkapitalrendite in den letzten Jahren bei 6,4 Prozent. Ein Immobilienfonds wirft laut UBS derzeit zwischen 3 und 4 Prozent Rendite ab.
Rendite mit Risiken
Eine rundum schöne Geschichte irgendwie. Doch wie bei jedem Märchen muss auch hier das Happy End verdient werden. Zugegeben: Hexen sind Crowdhouse und Konsorten natürlich nicht, die Metapher zu Beginn war plakativ. Aufpassen müssen potenzielle Investoren dennoch. Finanzexperten monieren am Modell etwa die Hebelwirkung, die der Hypothekarzinssatz auf die Rendite der Miteigentümer hat. Weil 50 Prozent des Kaufpreises über die Hypothek läuft, ist der Erfolg der Investition direkt an den Hypothekarzinssatz gebunden. Steigt dieser, sinken die Renditen. Allerdings: Solange die Festhypothek läuft, kann das den Investoren egal sein. Ein Jahr vor Ende der Laufzeit wird die Liegenschaft neu geschätzt und die Investoren entscheiden, was sie tun wollen. Sollten sie sich zum Verkauf entschliessen und die Zinsen sind gestiegen, drohen Verluste. Immerhin: Bis zu einem gewissen Grad können diese durch bisher ausgeschüttete Gewinne abgefedert werden. Und verlieren kann man maximal den ursprünglich investierten Betrag.
Kritisch dürfte es zudem werden, wenn die Mietpreise sinken. Dann müssen die Renditeerwartungen nach unten korrigiert werden. Unter anderem deshalb sei es für Crowdhouse entscheidend, die richtigen Objekte zu finden, sagt Michael Meier. «Wir haben bisher rund 1200 Immobilien geprüft. Fünf Prozent haben wir in unser Portfolio aufgenommen.» Entscheidende Faktoren bei der Suche nach Immobilien seien der Bruttorenditepreis, der Wohnungsmix – 70 Prozent der Schweizer leben in Single oder 2-Personen-Haushalten – und natürlich die Lage. Und findet man ein geeignetes Objekt kann es gut sein, dass man überboten wird, denn viele attraktive Objekte gibt es nicht – und es werden immer weniger. Michael Meier stellt auch deshalb klar: «Eine Garantie auf die Rendite gibt es nicht.»
Bei Veränderungen drohen Probleme
Auch das Zusammenspiel der Miteigentümer könnte Konfliktpotenzial bergen. Bereits bei herkömmlichem Mit- oder Stockwerkeingentum kommt es immer wieder zu Konflikten, wenn es etwa um Sanierungen geht. Beim Crowdhouse-Prinzip kommt noch dazu, dass die Investoren verschiedene Anlagestrategien verfolgen.
Zudem muss festgehalten werden, dass die Bruttorenditen auf Erwartungen basieren. Für Objekte, bei denen Quadratmeterpreise verfügbar sind, entsprechen die Mieten bei Crowdhouse jeweils denjenigen von Wohnungen mit höchster Qualität in der jeweiligen Gemeinde. Die UBS sagt, dass sich unter Berücksichtigung dieser Faktoren der Unterschied in der Bruttomietrendite im Vergleich mit Immobilienfonds relativiert. Und kommt zum Schluss: «Immobilienplattformen scheinen nicht zu einem besonders vorteilhaften Preis-Risiko-Verhältnis einzukaufen.» Diese Einschätzung kontert Meier: «Wir weisen für unser Portfolio einen Vermietungsgrad von über 98 Prozent aus und zweifeln in keiner Weise daran, dass die projizierten Mieten marktgerecht und nachhaltig angesetzt sind.»
Fazit
Solange die Mieten steigen und die Hypothekarzinsen tief bleiben, scheint das Modell vorteilhaft für die Investoren zu sein und könnte eine sinnvoll Alternative im eigenen Portfolio sein. Solange man es sich leisten kann, 100'000 Franken langfristig zu investieren. Ob die Geschichte aber auf Dauer ein Happy End hat, ist nicht vorherzusagen. Wie bei jedem Investment kann man den Erfolg erst abschliessend beurteilen, wenn sämtliche Gelder geflossen sind.