Hans Haller unterstützt mit Hilfsprojekten vor Ort
Wegen Jobverlust nach Brasilien ausgewandert

Hans Haller (65) aus Meisterschwanden AG lebt seit sechs Jahren im sonnigen Brasilien. Der Schweizer kennt aber auch die Schattenseiten des Landes. Er engagiert sich für Kinder und hilft wo nötig mit.
Publiziert: 13.05.2020 um 11:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2020 um 21:32 Uhr
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Hans Haller aus Meisterschwanden vor seinem Haus im Stadtteil Bancarios in João Pessoa, der Hauptstadt des Bundesstaats Paraiba in Brasilien.
Foto: Zvg
Corine Turrini Flury

Nachdem Hans Haller (65) aus Meisterschwanden AG mit 59 Jahren seine Stelle als Prokurist verlor, entschied er sich, nach Brasilien auszuwandern. «Die Firma ging Konkurs, und in meinem Alter wieder etwas zu finden, war praktisch ausgeschlossen. Darum habe ich beschlossen, voll für meine Stiftung in Brasilien vor Ort tätig zu sein, wo ich die Not etwas lindern kann, statt Arbeitslosengeld zu kassieren», sagt er.

Er arbeitet ehrenamtlich für seine gleichnamige Stiftung, die er 1992 gegründet hat. Haller lebt von seiner AHV-Rente in einem einfachen Haus, im Stadtteil Bancarios in João Pessoa, der Hauptstadt des Bundesstaats Paraiba.

Haller wohnt rund zehn Autominuten vom Strand entfernt zusammen mit seiner brasilianischen Lebenspartnerin Luciana Cristina da Silva Nunes und ihren beiden Kindern Yara (14) und Luiz Antonio (12). «Als ich mir vor vier Jahren eine neue Brille kaufen musste und Luciana mich als Verkäuferin in einem Optikergeschäft beriet, funkte es zwischen uns», erzählt Haller.

Dass Luciana zwei Kinder in die Beziehung brachte, störte den Rentner nicht. Kinder liegen Haller am Herzen. Mit seiner früheren Ehefrau, ebenfalls einer Brasilianerin, hat er zwei eigene, inzwischen erwachsene Kinder, die in der Schweiz leben. Vor zwei Wochen machte ihn seine Tochter erstmals zum Grossvater einer Enkelin. «Wegen der Corona-Krise konnte ich sie leider nicht wie geplant in der Schweiz besuchen.»

Ersatzmütter sorgen für ausgesetzte Kinder

Regelmässig kümmert sich Haller in Brasilien aber um Kinder, denen er mit seiner Stiftung ein neues Zuhause bei einer Pflegefamilie vermitteln konnte. Vor neun Jahren lancierte seine Stiftung das Projekt «Glückliche Jugend». «In Brasilien gibt es Tausende von Waisen- und ausgestossenen Kindern. Wenn sie nicht das Glück haben, in Heimen, bei Verwandten oder Nachbarn Unterschlupf zu finden, landen sie auf der Strasse. Liebe, Zärtlichkeit und eine Erziehung erhalten sie in der Regel an keinem dieser Orte», erzählt Haller.

Er sucht zusammen mit einer Brasilianerin, die er seit 16 Jahren kennt und die eine Kindertagesstätte leitet, vor Ort erfahrene und vertrauenswürdige Ersatzmütter, bei denen solche Kinder Familienanschluss finden.

Die Ersatzmütter werden aus Spendengeldern von der Haller-Stiftung entschädigt. «Vor der Corona-Krise fuhr ich alle zwei Wochen nach Igarassu und traf mich dort mit Sandra Nascimento dos Santos, der Koordinatorin des Projekts. Sie ist meine Vertraute und führt dort die Kinderkrippe Tia Sandra, die nur dank unserer Unterstützung überlebt.»

Perspektiven schaffen

Haller kennt alle Schützlinge und die Ersatzmütter persönlich und pflegt den Kontakt regelmässig. Wegen der aussergewöhnlichen Lage sind der Schweizer und Projektleiterin Sandra Nascimento dos Santos aber nur online und telefonisch in Kontakt. Zurzeit betreut die Stiftung 47 Kinder im Alter von 1 bis 17 Jahren bei 16 brasilianischen Ersatzmüttern.

«Wir kümmern uns aber nicht nur um Kinder, die ausgesetzt werden, sondern finanzieren auch medizinische Unterstützung und Beratung bei der Familienplanung und Verhütung, bis hin zu Unterbindungen von Frauen oder Vasektomie bei Männern in Zusammenarbeit mit lokalen Spitälern und Ärzten.» Langfristige Verbesserung und Perspektiven schaffen für Kinder und arme Familien, sei das Ziel aller Aktivitäten und Projekte, so der Schweizer.

Daneben sind die Stiftung und Hans Haller auch aktiv bei Umweltprojekten. Haller organisiert Baumpflanzungen, reinigt abgelegene Strände von Abfall und kümmert sich um Meeresschildkröten. Oft machen bei solche Aktionen auch Schulkinder mit. «Sie sind unsere Zukunft, darum ist es sinnvoll, sie zur Sorge für Natur und Umwelt zu sensibilisieren.» Wegen der Corona-Situation sind in Brasilien die Schulen und auch die meisten Strände derzeit geschlossen.

Armut noch schlimmer wegen Corona-Krise

Unter der Corona-Situation leiden auch die Ärmsten in Brasilien besonders, es fehlt zunehmend an Lebensmitteln. Auch da ist Haller mit der Stiftung aktiv und hat sich über eine Einwohnerrätin informiert, wo Lebensmittelhilfe am nötigsten ist, und sich an Lebensmittelpaketen für Bedürftige und die Verteilung im Ort beteiligt.

«Das Wichtigste bei Projekten in Brasilien sind vertrauenswürdige Kontakte, damit die Unterstützung auch da ankommt, wo sie benötigt wird», weiss Haller. Durch seine zahlreichen Reisen nach Brasilien seit 1983 und einigen Jahren, die er mit seiner Ex-Frau und seinen beiden eigenen Kindern in Brasilien gelebt hat, verfügt der Schweizer über ein gutes Beziehungsnetz im Nordosten Brasiliens.

Wenn auch die Ehe mit seiner Ex-Frau nach 18 Jahren in die Brüche ging, sind die Kontakte und Freundschaften über die Jahre geblieben, und der Schweizer hat sein Kontaktnetz erweitert. Daraus sind über die Jahre diverse Projekte der Stiftung des Schweizers entstanden, die der armen Bevölkerung Brasiliens das Leben etwas erleichtern. Anfang der 90er-Jahre schrieb Haller fünf Bücher über sozialkritische Themen in Brasilien. So konnte er erste Spendengelder von Schweizern für Hilfsprojekte seiner Stiftung generieren.

Wann Hans Haller das nächste Mal in die Schweiz reisen kann, ist wegen der Corona-Situation noch unklar. Klar ist aber, dass er dann zuerst einmal sein Enkelkind und seine eigenen Kinder treffen möchte.

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