«Grundsätzlich sind wir privilegiert – wir haben die AHV!»
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Familie Kunz ist ausgewandert:So lebt ein Schweizer Ehepaar in Indien

Auswanderer-Familie findet in Indien ein neues Zuhause
«Wir können hier viel mehr Gutes bewirken»

Der Schweizer Robert Kunz-Abraham (79) aus Oberrieden ZH und seine Ehefrau Rupa (70) leben seit 2003 in Indien. Das Ehepaar mit vier Adoptivkindern hat im Dorf Elluvila ein Kinderheim und eine Schule aufgebaut.
Publiziert: 27.03.2022 um 10:45 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2022 um 17:51 Uhr
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Im Dorf Elluvila, im Bundesstaat Kerala in Indien, hat das Ehepaar Kunz über die Jahre diese Schule aufgebaut. Etwa 450 Kinder können hier die Ganztagesschule besuchen.
Foto: zVg
Corine Turrini Flury

1982 übernahm Robert Kunz (79) aus Oberrieden ZH die Patenschaft für einen achtjährigen Jungen aus Indien. Drei Jahre später reiste der Schweizer, der mit seinem Bruder eine eigene Firma für Hotelbedarf führte, erstmals selber für einen Monat nach Indien, um sein Patenkind kennenzulernen.

Eine Woche lebte Kunz im Kinderdorf. «Die Armut in diesem Land haben mir gewaltig Eindruck gemacht», erzählt er Blick. Das Elend der Kinder berührte den Schweizer so sehr, dass er für ein weiteres Patenkind die Patenschaft übernehmen wollte. Dabei lernte er Rupa kennen, die ein Kinderheim leitete. «Ich entschied mich für ein Mädchen als Patenkind, weil die Situation für Mädchen in Indien besonders schwierig ist.»

Oft werde in Indien abgetrieben, wenn in der Schwangerschaft klar sei, dass es ein Mädchen wird, erzählt Kunz. Neugeborene Mädchen werden auch oft weggegeben, weil sich Familien die Mitgift bei der Heirat einer indischen Tochter, die traditionellerweise erwartet wird, nicht leisten können.

Nachdem er die Patenschaft für ein kleines Mädchen mit Krätze und Läusen übernahm, habe ein anderes Mädchen geweint, so Kunz: «Rupa erklärte mir, dass sie die ältere Schwester sei, die noch keinen Paten hat. Darauf habe ich gleich für beide Mädchen die Patenschaft übernommen», so der Zürcher mit dem grossen Herz. Nicht nur die Not der Mädchen hat das Herz des Schweizers berührt: «Rupa hat mich von Anfang an beeindruckt», gesteht der Schweizer.

Die grosse Liebe gefunden

Das war der Anfang einer grossen Liebe über tausende Kilometer zwischen dem Schweizer und der Inderin. Zurück in der Schweiz schickte der Schweizer nicht nur Pakete an die Patenkinder und Rupa, sondern auch Liebesbriefe. «Email und Handy gab es noch nicht, und so dauerte alles etwas länger. Bei einem weiteren Besuch in Indien habe ich um Rupas Hand angehalten», sagt Kunz.

Die meisten Ehen in Indien seien arrangiert, Liebesheiraten seien selten. Nicht so beim Paar Kunz. «Rupa ist noch immer meine Traumfrau und meine grosse Liebe», schwärmt Robert Kunz.

Pensionskassengeld in Kinderheim investiert

Im April 1988 reiste Rupa allein in die Schweiz und im Mai heiratete das Paar. Nach ihrer Heirat erwarben sie in Elluvila, im Bundestaat Kerala im Südwesten Indiens, ein grosses Haus und richteten darin ein Kinderheim für Mädchen ein, das von Rupas Mutter geleitet wurde. Dafür hat Robert Kunz sein Pensionskassengeld investiert.

«Wir hatten den Wunsch, indische Kinder nicht nur finanziell zu unterstützen, sondern ihnen auch ein Zuhause und eine sichere Zukunft zu ermöglichen.»

Die Soziologin Rupa Kunz lernte in der Schweiz schnell Deutsch und absolvierte eine Ausbildung als Krankenschwester. Eigene Kinder blieben dem Ehepaar nicht vergönnt. Stattdessen haben sie im Lauf der Jahre vier indische Mädchen im Säuglingsalter adoptiert, die im Kinderheim lebten, bis das Ehepaar Kunz 2003 ihre Habseligkeiten in einen Container verfrachteten und ganz nach Indien zogen. «Seither haben unsere Töchter bei uns in der Wohnung des Kinderheims gewohnt und haben die Schule im Dorf besucht», erklärt Robert Kunz.

Hausmann mit vier Töchter

Die Eltern stellten aber bald fest, dass die Kinder in der Dorfschule wenig Fortschritte machten und dort auch ein sehr strenges Regime herrscht. In der Hauptstadt von Kerala, in Thiruvananthapuram, hat das Ehepaar dann eine Wohnung gemietet.

In der Grossstadt seien die Schulen etwas besser, insbesondere die Privatschulen. Alle vier Töchter konnten Schulen, Studium und Ausbildungen erfolgreich absolvieren, sagt Kunz mit elterlichem Stolz. «Ich war da Hausmann und kümmerte mich um unsere Töchter, während meine Frau das Kinderheim und unsere eigene Schule mit Kindergarten in Kerala weiter aufbaute und führte, so dass auch die Kinder im Dorf eine angemessene Schulbildung bekommen.»

Am Wochenende reiste Rupa Kunz mit dem Zug zu ihrem Ehemann und den Töchtern in die Stadt. Unter der Woche arbeitete sie in Kerala. Nach und nach ist so neben dem Kinderheim ein kleines Spital mit Physiotherapie und «The Swiss Central School» mit Kindergarten und Schulklassen dazugekommen – sowie diverse Projekte der Entwicklungszusammenarbeit. Heute absolvieren etwa 450 Schüler ihre Schulausbildung dort. «Wir betreiben auch eine kleine Farm mit Kühen, Stieren, Ziegen, Kaninchen, Hühnern sowie Vögeln. Wir haben inzwischen etwa 70 Angestellte», so Kunz.

Schattenseiten in der neuen Heimat

Jedes Kind ist in der Ganztagesschule der Familie Kunz in Kerala willkommen, unabhängig der Religion oder den wirtschaftlichen Verhältnissen der Familie. Wer sich das Schulgeld nicht leisten kann, wird von Spendengeldern des Vereins unterstützt. «Gerade in der Pandemie haben die Härtefälle zugenommen. Indien war immer wieder schlimm von Corona betroffen und wir mussten mehrmals unsere Schule schliessen», so der Schweizer.

Robert Kunz mag die Wärme in Indien lieber als die Kälte der Schweiz. Die Schattenseiten Indiens hat er allerdings auch schon zu spüren bekommen. «Der Umgang mit Kindern ist oft sehr streng, fast schon militärisch, und auch hier regiert das Geld.»

Neben der Armut sei es beispielsweise für Christen oder Muslime nicht unproblematisch im hinduistisch dominierten Land. «Der Druck und Auflagen der Behörden gingen so weit, dass wir unser Kinderheim 2017 geschlossen haben und uns auf unsere Schule und unsere Physio-Klinik fokussieren.» Die Kinder wurden bei den Erziehungsberechtigten untergebracht. Regelmässig kontrollieren Rupa Kunz und ihre Mitarbeiter die Familienverhältnisse und unterstützen die ehemaligen Heimkinder weiterhin.

Gutes bewirken mit der AHV

Dennoch ist eine Rückkehr in die Schweiz für das Ehepaar Kunz keine Option. Robert Kunz: «Nur schon wegen unseren Töchtern und der Schule mit den Kindern wollen wir hier bleiben. Mit rund 3’000 Franken AHV leben wir hier gut und können hier sozial viel mehr Gutes bewirken als in der Schweiz.»

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