Abergläubische Rituale an der WM
Fauler Fussball-Zauber

Spleens, Marotten und Rituale – so abergläubisch wie im Fussball geht es nirgends zu und her. Plötzlich muss da ein Trikotoberteil, mit dem man die eigene Mannschaft im einen Spiel zum Sieg geführt hat, ungewaschen bei jedem weiteren Match mit aufs Feld. Doch nicht nur Einzelspieler glauben an Geister – auch ganze Teams werden abergläubisch. Sechs Geschichten über Hühner, Urin und Pilgerreisen.
Publiziert: 26.06.2018 um 17:46 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:35 Uhr
Rebecca Wyss

Nächstes mal wieder Tel Aviv

Vor kurzem machte die Nachricht die Runde, dass das argentinische Nationalteam auf ein Testspiel in Tel Aviv verzichtete. Wäre es dort hingereist, wäre es an dieser WM vielleicht besser gelaufen. Dieses Testspiel ist nämlich das Überbleibsel eines Aberglaubens, der aufs Jahr 1986 zurückgeht. Damals flogen die Argentinier nach Israel, siegten überlegen und wurden an der folgenden WM in Mexiko Weltmeister. Fortan pilgerten sie in den 90er-Jahren vor jeder WM für eine Partie nach Tel Aviv. Nicht immer mit Erfolg: Während das Team 1990 immerhin noch Zweiter wurde, flog es 1994 in der 2. Runde und 1998 im Viertelfinal raus. Bad luck!

Goalie, lass laufen

An der WM '90 sollte ein Pinkel-Ritual den Argentiniern Glück bringen.
Foto: Getty Images/Vetta

Wir wollen hier die ekligste argentinische Spinnerei nicht unterschlagen: An der
WM ’90 pinkelte Goalie Sergio Goycochea vor dem Elfmeterschiessen im Halbfinal
auf den Platz – umzingelt von seinen Teamkumpels als Sichtschutz. Die Fussballwelt schaute zu. Offenbar hatte das schon in der gleichen Situation im Viertelfinal Glück gebracht – fand der Trainer.

Teuer bezahlter Hokuspokus

Glückshühner und Hexenmeister gehören zu einem richtigen afrikanischen Fussballspiel dazu.
Foto: Getty Images

Während der aktuellen WM müssen die nigerianischen Fans ihre Glückshühner zu
Hause lassen – so wollen es die russischen Organisatoren. Wem der Hühnerbrauch jetzt schräg einfährt, sollte sich mal locker machen: In Afrika ist es das Normalste der Welt, dass Mannschaften ihre Hexenmeister haben. So wie westliche Teams auf eigene Masseure setzen. Das Spiel mit der Magie kann aber zu einem mit dem Feuer werden.

Das lernte die Elfenbeinküste auf die harte Tour. Für den Africa Cup of Nations 1992 engagierte die Regierung gleich mehrere Schamanen. Das Team holte den Titel, wunderbar. Dumm nur, dass die Regierung die Zauberkunst nie bezahlte. Die beleidigten Herren verfluchten die Nati, und tatsächlich: Diese brachte zehn lange Jahre lang kaum mehr was auf die Reihe. Bis sich die Regierung offiziell entschuldigte und den Magiern 2000 Dollar anbot – mit der Bitte, den Fluch zu brechen.

Learning: Lass den Zauberstab stecken

Die Anklage: Der kamerunische Assistenztrainer soll das Spielfeld mit Hexenzauber manipuliert haben.
Foto: KEY

Schluss mit Voodoo! Dieses Machtwort sprach einst der afrikanische Fussballverband. Auslöser, so heisst es, war ein Vorfall am Africa Cup of Nations 2002. Kurz vor einem Spiel wurde Kameruns Assistenztrainer Thomas Nkono unter Arrest gestellt – was fast in eine Schlägerei ausgeartet wäre. Der Vorwurf: Black Magic. Die Ordnungshüter behaupteten, er habe bei der Platzbegehung ein Elixier ausgeschüttet, das das gegnerische Team schwächen sollte.

Glatzen-Schmatzer brachte Pokal

Kuss auf Goalie-Glatze – dieses Ritual könnte Frankreich 1998 zum Sieg verholfen haben.
Foto: AFP/Getty Images

1998 ritten die Franzosen auf einer Glückswelle. Nicht nur, dass sie die WM austragen durften. Sie holten auch noch den Pokal – zum ersten Mal überhaupt! Nachgeholfen könnten ein paar Rituale haben. Vor jedem Spiel hörte sich die Mannschaft «I Will Survive» von Gloria Gaynor an. Und im Teambus musste jeder immer auf dem gleichen Platz sitzen. Und zu guter Letzt: Vor jeder Partie küsste der Spieler Laurent Blanc die Glatze des Goalies Fabien Barthez. Vive la France!

Eindeutig falsche Farbe erwischt

An die goldenen Fussballzeiten Rumäniens erinnert sich heute kaum mehr einer. Dabei nahmen sie in den 90ern an jeder WM teil – und kamen sogar weiter. Nach 1998 war plötzlich Schluss – kein rumänischer Spieler setzte seither je wieder einen Fuss auf ein WM-Spielfeld. Wie ein Fluch! Schuld daran war eine Schnapsidee. Als sie sich vorzeitig für die Achtelfinals qualifizierten, färbte sich das ganze Kader die Haare blond. Schon im letzten Gruppenspiel danach schafften sie nur noch ein Remis. Trainer Iordanescu schwante, dass die verflixten blonden Haare ein schlechtes Omen sein könnten, und bat seine Jungs inständig, sie wieder umzufärben. Die Spieler winkten ab: Weitere haarige Experimente würden die Konzentration stören. Vielleicht hätten sie es riskieren sollen: Das Team schaffte es nicht über die Achtelfinals hinaus.

Die plötzlich erblondeten Rumänen waren die Sensation an der WM '98.
Foto: KEY
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