Es ist, neben dem Zähneputzen, die häufigste Empfehlung von Zahnärzten: Täglich Zahnseide benutzen, um Karies zu verhindern, das Zahnfleisch zu pflegen.
28 Prozent, so Schätzungen, halten sich an den Rat. Doch jetzt wachsen Zweifel: Der Zusammenhang liess sich wissenschaftlich niemals beweisen!
Bereits 1815 erfand der amerikanische Zahnarzt Levi Spear Parmly die Zahnseide. Heute ein Mega-Geschäft für die Hersteller: Zwei Mrd. Fr. pro Jahr.
Doch ausgerechnet die US-Medizinbehörden, die den weltweiten Trend ab 1979 durch ihre offizielle Empfehlung auslösten, räumen nach einer offiziellen Anfrage und dem Vergleich von 25 Studien ein: Eigentlich müsste sie gestrichen werden.
«Die Mehrzahl der verfügbaren Studien kann nicht nachweisen, dass Zahnseide effektiv Zahnbeläge entfernt», heisst es in einer Auswertung. Ob die Seide zusätzlich zum Putzen generell die Mundhygiene verbessert, ist nicht klar belegbar.
Diverse Studien hatten dazu gravierende Mängel
Tests über nur zwei Wochen, mit nur 25 Teilnehmern oder nur nach einmaliger Zahnseide-Benutzung. Vielfach waren sie von den Zahnseide-Herstellern selbst bezahlt worden. Häufig ging es nicht einmal um Zahnfleisch-Erkrankungen oder Karies, sondern z. B. nur um Blutungen.
Mögliche Risiken der Zahnseide wurden dagegen heruntergespielt oder überhaupt nicht thematisiert: Schnittwunden am Zahnfleisch, die Bakterien aus der Mundhöhle in den Blutkreislauf bringen, Schäden an Zähnen und Zahnersatz.
Die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO rät in jedem Fall dazu, die Zahnzwischenräume zu reinigen. Prof. Dr. Adrian Lussi (64), Leiter an den Zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern: «Die Zahnbürste kommt an diese Stellen nicht heran.» In vielen Fällen seien Interdentalbürstchen vorzuzuziehen, bei sehr engen Zwischenräumen sei Zahnseide aber die einzige Möglichkeit.
Wichtig: Die korrekte Anwendung. Nicht mit einer Sägebewegung durch die Zwischenräume ziehen, sondern an beiden Seiten der Zahninnenräume vorsichtig auf und ab bewegen. Lussi: «Dabei kann man ruhig auch etwas unters Zahnfleisch vordringen, denn viele Bakterien sammeln sich gerade dort an."
Mit dem Alter wird es übrigens leichter: Bei älteren Menschen stehen die Zähne tendenziell weiter auseinander, sie können statt Zahnseide zunehmend Interdentalbürstchen verwenden.