«Der Handel im Internet erinnert mitunter an eine Westernwelt, wo alles möglich scheint und wo der Arm des Staates oft nicht hinreicht», heisst es in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht Schweizer Suchtpanorama 2022.
Das Internet sei zwar kein rechtsfreier Raum, doch der Vollzug des in der Schweiz geltenden Rechts harze, wie der Verkauf über das Internet an Minderjährige zeige. Online-Kanäle böten viele zusätzliche Möglichkeiten, Produkte mit Suchtpotenzial zu verkaufen und ganz gezielt Werbung zu platzieren.
Die Nutzung digitaler Technologien seien durch die Pandemie noch begünstigt worden. Gleichzeitig sei der Markt der legalen und illegalen Produkten mit Suchtpotenzial hart umkämpft. Die Anbieter nutzten den digitalen Raum, um ihre Kundschaft rund um die Uhr ganz gezielt zu erreichen. Die Menschen würden im virtuellen Raum pausenlos auf Konsumanreize treffen.
«Wir müssen über Regeln diskutieren und dürfen das Feld nicht einseitig den Anbietern überlassen», heisst es im Bericht weiter. Sucht Schweiz appelliert an alle gesellschaftlichen Akteure, der Werbeoffensive im Internet mehr sachliche Informationen und kritische Fragen entgegenzusetzen.
Digitale Technologien ermöglichten immer neue und potenziell suchtgefährdende Produkte zu entwickeln, wie die Branche der Video- oder Online-Geldspiele verdeutliche. Die einstigen Spiel-Konsolen aus dem Kinderzimmer seien mit dem Online-Gaming auch für Erwachsene salonfähig geworden.
Gemäss Umfragen spielt jede achte Person in der Schweiz mehrmals am Tag Videospiele. Die Grenze zwischen Video- und Geldspielen sei heute fliessend, weil auch Games zum Geldausgeben aufforderten. Um die Risiken zu vermindern, brauche es viel Sensibilisierung und gezielte Regulierung. Gefordert wird unter anderem dringend ein verbesserter Spielerschutz. Video- und Geldspiele müssten klar voneinander abgegrenzt werden.
Sucht Schweiz weist im Bericht weiter darauf hin, dass fast die Hälfte aller Menschen, die im Jahr 2020 in professionelle Suchthilfeeinrichtungen eintraten, hauptsächlich wegen Alkoholkonsums behandelt worden seien. Sorgen bereitet Fachleuten, dass mit Migros ein weiterer grosser Akteur ins Alkoholgeschäft einsteigen will. Handlungsbedarf bestehe weiter beim Jugendschutz und der Sensibilisierung für die Risiken.
Nicht mehr gesunken sei im letzten Jahrzehnt die Raucherquote. Die Auswirkungen der Covid-Pandemie auf den Konsum von Tabak- und Nikotinprodukten seien unklar. Hingegen scheine sich die Zunahme psychischer Belastungen durch die Gesundheitskrise auf den Konsum von potenziell abhängig machenden Schlaf- und Beruhigungsmitteln auszuwirken.
Die politische Debatte fokussiere nach wie vor auf Cannabis und vermehrt auf die Frage, wie die Regulierung dieser Substanz aussehen könnte. Bei den opioidhaltigen Schmerzmitteln fehlten aktuelle Zahlen zur Einnahme oder gar zu Abhängigkeit. Eine engere epidemiologische Überwachung des Konsums und mehr Forschung seien notwendig.
Gemäss dem Suchtpanorama-Bericht liegen auch Hinweise vor, dass mehr Menschen Kokain konsumieren und damit auch Probleme haben. Der Reinheitsgrad von Kokain in der Schweiz habe sich bei durchschnittlich 80 Prozent eingependelt. Die Konsumierenden erhielten für das gleiche Geld also 50 bis 100 Prozent mehr psychoaktive Substanz als noch vor zehn Jahren.
Diese Entwicklung lasse sich auch im übrigen Europa feststellen und sei Ausdruck des Konkurrenzkampfs zwischen Marktakteuren. Kokain stelle heute den zweitgrössten Drogenmarkt der Schweiz dar.
Der höhere Reinheitsgrad auch bei Amphetamin-Proben, der MDMA-Gehalt der Ecstasy-Pillen sowie das teilweise Vorliegen gefährlicher Produkte wie synthetischer Cannabionide zeigten, wie wichtig die Aufklärung der Konsumierenden darüber sei, welche Eigenschaften die Substanzen hätten, die auf dem Schwarzmarkt vorhanden seien und welche Risiken der Konsum berge.
(SDA)