Technologie als Kinderspiel – eine Harvard-Psychologin erklärt
So wird Ihr Kind fit fürs Web

Welche Fragen wir uns für die Zukunft stellen müssen und wie wir Kinder auf den technologischen Wandel vorbereiten, weiss die 
Harvard-Psychologin Meia Chita-Tegmark.
Publiziert: 16.01.2019 um 14:14 Uhr
|
Aktualisiert: 16.01.2019 um 14:33 Uhr
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Meia Chita-Tegmark ist Psychologin und forscht über die Zukunft der Menschheit und den technologischen Wandel.
Foto: zVg
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Silvia TschuiGesellschafts-Redaktorin

Wenn einen unter anderem das verstorbene Physik-Genie Stephen Hawking unterstützt hat und Elon Musk einem zehn Millionen Dollar zuspricht, muss etwas dran sein an dem, was man erreichen will. Meia Chita-Tegmark, an der Harvard Universität ausgebildete Psychologin, hält nächsten Donnerstag am Worldwebforum in Zürich einen Vortrag über Chancen und Risiken unserer Zukunft – über Fragen wie: Wie entwickelt sich menschliches Leben weiter? Wie beeinflusst technologischer Fortschritt unsere Zukunft und Gesellschaft? Wie machen wir Kinder dafür fit? Und weshalb überlegen sich Silicon-Valley-Ingenieure eigentlich kaum, welche Auswirkungen ihre Erfindungen auf die Menschheit haben?

Mehr Intelligenz, bessere Zivilisation

Fragen, die uns alle vielleicht dann und wann umtreiben. Chita-Tegmark aber handelt: 2014 gründet sie mit ihrem Ehemann, dem Astrophysiker Max Tegmark, das Future of Life Institute in Boston. Es steht einerseits für eine Tech-befürwortende Grundhaltung: «Allem, was Zivilisation ausmacht, liegt Intelligenz zugrunde – sie via künstliche Intelligenz zu erweitern, kann unsere Zivilisation zum Blühen bringen wie nie zuvor», steht auf ihrer Webseite.

Gleichzeitig steht das Future of Life Institute aber auch für eine gesunde Skepsis: Wie etwa die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz vonstatten gehen könnte, damit sie der Menschheit zuträglich ist – und nicht Entscheidungen trifft, die uns schaden.

Dass neue Technologien schon heute auch schädlich sind, weiss ­jeder, der schon Stunden unkontrolliert auf Facebook verloren hat. ­Facebook und Snapchat sowie andere Social-Media-Plattformen sind denn auch Beispiele dafür, 
wie eine zukünftige Beziehung der Menschheit zur Technik eben nicht aussehen sollte. Eine der Fragen, die man sich stellen müsse, sowohl als Einzelperson wie auch als Gesellschaft, sei, wer wem diene. «Beim Beispiel Facebook sind wir nicht die Herren, sondern Sklaven», sagt Chita-Tegmark – wir bekommen etwas, was uns süchtig macht und gleichzeitig uns, also unsere Daten, an andere verkauft. «Wir sind nicht Kunden, sondern das zu verkaufende Produkt, die Kunden sind Werbefirmen und politische Parteien» – dies nütze der Menschheit nicht, sondern schade ihr als Individuum und als Gesellschaft.

Die Politik hat bis heute versagt

Auf gesellschaftlicher Ebene bedeutet dies, dass wir dringendst Regulierungen solcher Firmen via Gesetzgeber erarbeiten müssen. Auch sollten Schulen dem Fach Medien- und Technologiekompetenzen grössere Aufmerksamkeit schenken. Und Universitäten und Fachhochschulen bräuchten obligatorische Ethikstudiengänge für Ingenieure, Mathematiker und Softwareentwickler.

«Leider hinkt die Politik diesen wichtigen Fragen der Menschheit hinterher und beschäftigt sich lieber mit Immigrationsfragen oder territorialen Zwistigkeiten», sagt Chita-Tegmark – die Politik versäume es 
so, sich den wirklich wichtigen Fragen zu stellen und dringend benötigte Weichen für die Entwicklung der Menschheit zu stellen.

Denn auch ein weiteres Feld 
eröffnet sich angesichts neuer Technologien: Automatisierung und Digitalisierung bedrohen viele 
Arbeitsplätze. Und in unserer Gesellschaft ist der Wert einer Einzelperson damit verbunden, wie ihre Arbeitsleistung ist – sodass Arbeitslose schnell psychische Probleme mit ihrem Selbstwert bekommen. Insbesondere Arbeitnehmende mit einem tiefen Bildungsgrad sind davon bedroht, ähnlich wie in der industriellen Revolution viele Bauern überflüssig wurden.

«Es braucht auch hier dringend eine gesellschaftliche Diskussion darüber, was diese Menschen tun und wie sie ihr Einkommen erzielen sollen», sagt Chita-Tegmark. Sie plädiert für ein bedingungsloses Grundeinkommen – und sieht aber auch eine Chance in einem Wertewandel, der nicht die Arbeit an oberste Stelle stellt: «Bedenklich erscheint mir die Tendenz, Care-Roboter in der Pflege einzusetzen. Wollen wir wirklich die Schwächsten unserer Gesellschaft menschlichen Kontakts berauben – wäre es nicht eine Möglichkeit, schlecht qualifizierte Arbeitnehmer auszubilden und für Soziales einzusetzen»? Aber auch hier fehle weitgehend eine politische Diskussion über die Werte, die wir als Gesellschaft wollen.

Gebildete, mündige 
Gesellschaft nötig

Auf persönlicher Ebene soll man sich im Umgang mit neuen Technologien Verschiedenes bewusst machen, sagt Chita-Tegmark. Neben der Frage, wer wen kontrolliert, wir die Technologie oder sie uns, ist auch ein Kriterium, ob die benutzte Technologie einen stärkt oder schwächt. Führt sie zu einer Ver­kürzung der eigenen Aufmerksamkeitsspanne? Macht die Applikation – wie etwa Facebook oder Snapchat – süchtig? Fördert die neue Technologie – wie etwa Amazon oder Uber – eine gute Arbeitskultur oder dient sie wenigen Einzelnen und ist ansonsten eher ausbeuterisch?

Chita-Tegmark plädiert für Eigenverantwortung: «Da politische und rechtliche Regulierungen noch weitgehend fehlen, steht wirklich jeder Einzelne selbst in der Verantwortung, welche Technologien und Anwendungen er benützen will oder nicht.» Um dies aber überhaupt beurteilen zu können, brauche es eine gut gebildete, mündige Gesellschaft – und Eltern, die ihre Kinder über die Möglichkeiten, aber auch die Gefahren neuer Technologien aufklären.

In den USA beginnt langsam eine Diskussion

Bildung ist das Allerwichtigste, sagt denn Chita-Tegmark abschliessend: «Um als Menschheit angesichts des technologischen Wandels und angesichts des Klimawandels und anderer Probleme überleben zu können, brauchen wir so viele gut ausgebildete Menschen wie nur möglich.»

Die gute Nachricht: Chita-Tegmarks Arbeit beginnt Früchte zu tragen – dass in den USA nun langsam eine Diskussion über Ethik und technologischen Fortschritt stattfindet, ist unter anderem ihrer Arbeit mit dem Future of Life Institute zu verdanken. Seit 2014 bringt es an diversen Tagungen Ethiker, Psychologen und Technologie-Entwickler zusammen.

So machen Sie Ihre Kinder Tech-fit

Programmieren
Lassen Sie Ihre Kinder programmieren lernen. Es ist so wichtig, wie 
lesen zu können.

Kontrolle
Überprüfen Sie die 
Technologie-Nutzung
Ihres Kindes: Wenn es etwas Kreatives tut, ist es einigermassen in 
Ordnung.

Suchtpotenzial
Test: Wird das Kind sauer, wenn Sie die Nutzung einschränken? Dann hat die Technologie Sucht-
potenzial – Sie sollten sie erst recht einschränken.

Politik
Wählen Sie keine politischen Parteien, die bei der Bildung sparen wollen.

Psychologie
Informieren Sie sich über den Begriff des Bestätigungsfehlers und machen Sie sich und Ihren Kindern diesen psychologischen Mechanismus immer wieder bewusst.

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