Datenschutz
Und wenn wir die Kontrolle über unsere Daten zurück erlangten?

Google, Facebook und Co. versuchen, anhand unserer Daten ein möglichst vollständiges Profil herzustellen. Doch wir User sind die einzige Schnittstelle dieser Informationen. Ein ETH-Professor will mit einer Volksinitiative die Rechte der Bürger stärken.
Publiziert: 31.01.2018 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:25 Uhr
Big Data-Unternehmen - hier das Rechenzentren von Google - versuchen ein möglichst genaues Profil der Benutzer herzustellen. Könnten die User aber selber über ihre Daten verfügen, böten sich ihnen ganz neue Möglichkeiten. (Symbolbild)
Foto: Keystone/AP Google/CONNIE ZHOU

Google weiss zwar, wann und wie oft ich nach dem Wort «Alzheimer» gesucht habe und wo ich mich damals befand. Doch ob ich die Recherche für meine Grossmutter, den Bruder meiner Frau oder für mich selber machte, kann die Suchmaschine nicht beantworten.

Auch die Detailhändler können anhand meiner Kundenkarte ein Persönlichkeitsprofil meiner Gewohnheiten und Vorlieben herstellen. Ob ich aber so viel Fleisch esse, weil ich Bodybuilder bin oder einfach ein Liebhaber, lässt sich aus diesen Daten nicht ablesen.

Ähnlich verhält es sich mit medizinischen oder Genom-Daten: In Verbindung zueinander werden sie noch wertvoller. Diese Verknüpfung aber können nur wir selber herstellen: Denn allein der Konsument ist in der Lage, seine persönlichen Informationen der Gesundheits-App mit denjenigen auf der Supercard oder seinen Internetverlauf mit seinem Lebenslauf zu kombinieren.

«Wir sind die maximalen Aggregatoren unserer eigenen Daten», sagt der Molekularbiologe und frühere ETH-Präsident Ernst Hafen im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Der grosse Vorteil von Daten sei, dass sie - im Gegensatz zu Geld - kopiert und dadurch auch unterschiedlich genutzt werden könnten. Doch dazu müssten sie zuerst wieder in den Besitz der einzelnen Konsumentinnen oder Konsumenten gelangen.

Einzelperson soll über persönliche Daten verfügen können

Die «Zauberwörter» lauten in diesem Zusammenhang «Recht auf Kopie» und «Recht auf Datenübertragung», zwei Bestimmungen, die in die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung aufgenommen wurden. Sie geben den EU-Bürgern Ende Mai dieses Jahres das Recht, eine elektronische Kopie ihrer Daten zu erhalten und diese dann einer dritten Person oder einem Dienstleistungsanbieter zur Verfügung stellen (Datenportabilität).

Ins revidierte Schweizer Datenschutzgesetz schafften es diese beiden Bestimmungen nicht. Nach Ansicht des Bundesrates geht es beim Recht auf Datenportabilität nicht um Persönlichkeitsschutz, sondern darum, den betroffenen Personen die Wiederverwendung ihrer Daten zu ermöglichen, um den Wettbewerb spielen zu lassen. Deshalb empfand er es «als problematisch, eine entsprechende gesetzliche Regelung» zu erlassen.

Hafen und andere Experten kritisieren, dass der Bundesrat damit den Weg des kleinstmöglichen Widerstands gegangen sei. Alles, was die Macht der Bürgerinnen und Bürger gestärkt hätte, habe er ausgelassen. Und da in der EU die Zweitnutzung der Daten Ende Mai dieses Jahres ermöglicht werde, gebe die Schweiz auch mögliche Wettbewerbsvorteile ab.

Hafen plant Volksinitiative

Hafen selber geht noch einen Schritt weiter: Er will das «Recht auf Kopie» mit einer Volksinitiative in der Verfassung verankern. Denn seiner Ansicht nach handelt es sich dabei um ein Menschenrecht. Ausserdem könnte die Schweiz so bei der Entwicklung einer neuen Datenökonomie und der entsprechenden Datendienstleistungen eine wichtige Rolle spielen.

Hafen ist im Moment dabei, ein Initiativ-Komitee mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Forschung zusammen zu stellen. Mit dem Start der Unterschriftensammlung rechnet er in diesem oder spätestens im nächsten Jahr.

Der Wert der persönlichen Daten wird auf mehrere Billionen Dollar geschätzt. Big Data-Giganten wie Facebook, Google oder Twitter versuchen deshalb alles, um möglichst präzise Persönlichkeitsprofile herzustellen und dann mit entsprechender Werbung Profite zu generieren.

Vom Ausland dominierter Markt

Heute wird dieser Markt jedoch fast ausschliesslich von ausländischen multinationalen Konzernen kontrolliert. Sie profitieren von einer quasi Monopolstellung, gegen die kaum etwas unternommen werden kann; die Gewinne, die mit unseren Daten gemacht werden, fliessen so in andere Länder ab.

Hafen und eine Reihe weiterer Professoren, Wissenschaftler und IT-Experten aus der Schweiz und Europa haben deshalb im Jahr 2015 mit der gemeinnützigen Genossenschaft «MIDATA» eine Art Gegenprojekt lanciert, nämlich eine Datenbank, welche die verschlüsselte Aufbewahrung, Verwaltung und sichere Nutzung von persönlichen Daten ermöglicht.

Dabei können Bürgerinnen und Bürger ihre Daten bei MIDATA speichern und diese je nach Bedürfnis freiwillig für Forschungszwecke freigeben. Eine Ethikkommission kontrolliert deren Verwendung. Der Erlös kommt dann in Form von medizinischem Fortschritt wieder der Allgemeinheit zugute.

Hafen spricht von ur-demokratischem sozialen System

Das Ziel, so Hafen, wäre eine Gesellschaft, in der die Menschen über die Ressourcen, also die eigenen Daten, selber verfügen und auch davon profitieren könnten. Sie erhielten damit nicht nur eine politische sondern auch eine ökonomische Stimme und damit eine «unglaubliche Machtposition».

Weil alle Menschen gleich viele Daten haben, spricht Hafen dabei von einem ur-demokratischen, ur-liberalen aber auch sozialen System. Und so entstünde in Zukunft ein veritables Gegengewicht zum heute dominierenden Geschäftsmodell des Silicon Valley.

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