Aus dem Ideen-Labor ETH
Das Auto steht vor einer Verwandlung

Joël Mesot ist Präsident der ETH. Der erste Romand in diesem Amt seit über 100 Jahren. Heute erklärt er, wie sich unser Verhältnis zum Auto verändern wird.
Publiziert: 04.03.2019 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 04.03.2019 um 21:34 Uhr
Joël Mesot

Genf ist in den nächsten Tagen wieder Schauplatz des Autosalons. Deshalb sei hier ein Blick in die Zukunft ­gewagt, in der nicht mehr das Auto, wie wir es heute kennen, im Mittelpunkt steht, sondern die Mobilität als Service. Bis es so weit ist, wird das Auto erst einmal elektrisch und autonom. Das dürfte allerdings länger dauern, als manchen lieb ist. Auch wenn regelmässig das bevorstehende Ende des Verbrennungsmotors ausgerufen wird, ändert sich der Mix des helvetischen Fuhrparks nur langsam. 2018 waren von den neu zugelassenen Autos nur 3,2 Prozent reine Elektroautos bzw. Plug-in-Hybride. Wohin die Reise mittelfristig gehen muss, ist indes klar: Der Strassenverkehr muss CO2-frei werden und seinen Beitrag leisten, um die Klimaziele zu erreichen. Aber eine Elektrifizierung des Individualverkehrs im grossen Stil setzt eine funktionierende Ladeinfrastruktur sowie billigere und leichtere ­Batterien voraus. Und Strom aus erneuerbaren Quellen; denn es nützt dem Klima nichts, wenn wir unseren Tesla mit Strom aus dem Kohlekraftwerk «betanken». Was wir brauchen, ist somit eine überlegte Verkehrswende – und noch viel Forschung und Entwicklung.

Klima-, Energie- und Mobilitätsforschung sind eng miteinander verknüpft und zentrale Themen an vielen Hochschulen. Alleine an der ETH Zürich befassen sich rund 30 Professuren mit Fragen der Mobilität – die ­Palette reicht von alternativen Antriebskonzepten über die Entwicklung neuer Materialien bis zur Simulation ganzer Verkehrssysteme. Der technische Fortschritt macht es zwar möglich, immer mehr elektronische As­sistenzsysteme in die Autos zu
verbauen, um diese smart zu machen. Wir erteilen ihnen Sprachbefehle, lassen sie selber die Parklücke finden und sind froh, wenn Spur- und Distanzkontrolle die Sicherheit beim Fahren erhöhen. Aber auch hier gilt: Bis zur angestrebten vollen Autonomie des Autos liegt noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns. Von den fünf sogenannten Automatisierungsgraden sind wir heute irgendwo zwischen dem 2. und 3. Grad. Die volle Autonomie des Autos ist aber erst dann erreicht, wenn die Insassen entspannt ein Buch lesen können oder Fahrten ohne Fahrer möglich sind. Wir werden dort hinkommen, irgendwann. 

Bis dann werden wir eine andere Beziehung zum Auto haben als heute. Vom Statussymbol wird es zum Bindeglied in einer Kette von Mobilitätsdienstleistungen. In einer solchen Schweiz wird es weniger wichtig sein, ein Auto zu besitzen. In einer kürzlich gemachten Studie sprachen sich 23 Prozent der Befragten dafür aus, ein vollautonomes Auto kaufen oder leasen zu wollen. 15 Prozent würden sich für ein Abo entscheiden, um das Auto jederzeit nutzen zu können. 62 Prozent würden ein solches Fahrzeug nur bei Bedarf auf Abruf nutzen wollen. Eine Reise beginnt dann vielleicht immer noch im Tram und endet mit dem – fahrerlosen – Taxi. Planen, buchen und ­bezahlen wird das der digitale ­Assistent. Ob Genf dann noch ­einen Autosalon hat, weiss ich nicht. Aber sicher wird Genf auch dann eine Reise wert sein.

Ihr Joël Mesot

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