Braun ist die Mischfarbe aus Schwarz, Rot, Gelb.
Braun ist Deutschlands durchdachtestes Design.
Braun ist Musik, Mode und Messtechnik.
Braun ist Verstärker, Fön und Fieberthermometer.
Braun ist beste Qualität «made in Germany».
Braun ist Religion, und wer ihr angehört, der bleibt ihr ewig treu.
Nimmt die christliche Religion ihren Anfang mit der Taufe Jesu im Fluss Jordan, so beginnt für Braun-Jünger alles an der Jordanstrasse 12 in Frankfurt am Main: Dort eröffnet der gebürtige Ostpreusse Max Braun (1890–1951) am 1. Februar 1921 seine «Apparatewerkstatt» und trägt sie am 1. Juni ins Handelsregister ein. Bereits 1923 konstruiert er den ersten Radioempfänger, den Trumpf-Walzendetektor, und 1934 entwirft er das markante Firmenlogo mit dem hochgezogenen A im Namen Braun – der prägende Stempel auf jedem Braun-Produkt bis heute.
Das Unternehmen als kulturelles Projekt
Wecker, Kaffeemaschinen, Elektrorasierer, Epiliergeräte, Oral-B-Zahnbürsten, Stabmixer – es gibt kaum einen Haushaltsbereich, den Braun nicht abdeckt. Und es gibt wohl kaum jemanden in einer Wohnung mit Stromsteckdose, der noch nie ein solches Produkt in den Händen hielt. Braun ist heute eine Weltmarke mit Sitz in Kronberg im Taunus, nordwestlich von Frankfurt, und gehört dem US-Konzern Procter & Gamble. Über 3000 Mitarbeitende erwirtschaften einen Jahresumsatz von über einer halben Milliarde Euro.
Der Aufstieg des Unternehmens beginnt mit dem Wirtschaftswunder im Deutschland der Nachkriegszeit. Ingenieur Braun lässt die Scherfolien-Technik seines Trockenrasieres Modell S50 patentieren und legt mit dem Produkt den Grundstein für den späteren Erfolg. Neben diesem Gerät für den Mann entwickelt er Küchenmaschinen für die damalige Hausfrau – 1950 präsentiert Braun den Multimix mit mehreren Funktionen. Nur ein Jahr später stirbt der Patron an einem Herzinfarkt, und die Söhne Erwin (1921–1992) und Artur (1925–2013) übernehmen die Firmenführung.
Vor allem Erwin Braun erachtet das Unternehmen nicht nur als betriebswirtschaftliches, sondern auch als kulturelles Projekt. Zur Neuausrichtung gehört, dass das Produktdesign schlicht und funktionell sein soll. Ehemalige Bauhaus-Schüler wie Herbert Hirche (1910–2002) und Wilhelm Wagenfeld (1900–1990) beginnen, für Braun zu arbeiten. Später stossen weitere namhafte Industriedesigner wie Reinhold Weiss (87), Dietrich Lubs (82) und Peter Hartwein (78) dazu.
Braun im MoMa und im Louvre
Der Quantensprung gelingt Braun 1955 mit der Anstellung des Innenarchitekten Dieter Rams (88) aus Wiesbaden (D). Bereits 1956 ist er massgeblich an der Gestaltung der Radio-Plattenspieler-Kombination SK4 beteiligt, die wegen der neuartigen Acrylabdeckung den liebevollen Übernahmen «Schneewittchensarg» erhält. Wie ein Märchen erweckt die Musikanlage das spiessige Deutschland der Adenauer-Ära und macht die Nation nach der Bauhaus-Zeit (1919–1933) wieder zur Avantgarde von gutem Industriedesign.
Bereits 1958 nimmt das New Yorker Museum of Modern Art (MoMa) Braun-Geräte in die ständige Sammlung auf, und der Pariser Louvre zeigt 1963 eine Sonderausstellung mit Designklassikern der Deutschen. Dieter Rams wird derweil zum Aushängeschild und leitet als «Mr. Braun» von 1961 bis 1995 die Formgebung der Firmenprodukte. Für ihn befindet sich gutes Design in ständiger Weiterentwicklung – genauso wie Technologie und Kultur. In den 1970er-Jahren beginnt er, Thesen für gutes Design zu formulieren.
Gutes Design ist innovativ.
Gutes Design ist ästhetisch.
Gutes Design ist unaufdringlich.
Gutes Design ist umweltfreundlich.
Gutes Design ist langlebig.
Gutes Design ist so wenig Design wie möglich.
Apple-Designer Jonathan Ive ist Braun-Fan
Für Rams macht gutes Design ein Produkt erst verständlich und brauchbar. Thesen, die auch Apple-Gründer Steve Jobs (1955–2011) ansprechen. «Wir wollen, dass unsere Hightech-Produkte auch so aussehen, und dafür bekommen sie ein Gehäuse mit klaren Linien», sagt er 1983 in einem Vortrag. «Sie werden kompakt sein, weiss und ansprechend, so wie die Elektronik von Braun.» Und er sucht später einen Designer unter dem Codenamen «Snow White» (Schneewittchen) – wohl eine Reminiszenz an den «Schneewittchensarg» von Braun.
In der Person des Briten Jonathan Ive (54) findet Jobs seinen Prinzen. «Ive bewunderte den deutschen Industriedesigner Dieter Rams», schreibt Walter Isaacson (68) in seiner Jobs-Biografie. «Rams' Evangelium war der Grundsatz des ‹Weniger, aber besser›, und ebenso mühten sich Jobs und Ive bei jedem neuen Entwurf mit der Frage ab, wie sie das Design noch weiter vereinfachen konnten.» Kein Wunder, erinnert der iPod an Brauns Taschenradio T3, der iMac an den Braun-Lautsprecher LE1 und der Rechner auf dem Computerbildschirm an den Braun-Rechner ET33.
Auf die Ähnlichkeiten angesprochen, gibt sich Dieter Rams gelassen – schliesslich habe ihm Jonathan Ive höchstselbst einmal einen iPod zugesandt mit einem Brief, in dem stand, dass Ive ein grosser Bewunderer von Rams sei. Und der Deutsche gibt die Blumen in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» gleich zurück: «Die Firmen, die Design wirklich ernst nehmen, können Sie an zehn Fingern abzählen. Apple gehört dazu.»