«Im Lebensraum der Rentiere herrschen extreme Bedingungen. Im arktischen Winter ist es gefroren und die Rentiere haben Schwierigkeiten, Futter zu finden», erklärte Melanie Furrer vom Universitäts-Kinderspital Zürich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Um sich darauf vorzubereiten, verbringen die Tiere im Sommer fast den ganzen Tag mit Fressen.
Furrer und ihre Kolleginnen und Kollegen wollten herausfinden, was dies für den Schlaf der Rentiere bedeutet. Denn über das Schlafverhalten der Tiere war bisher wenig bekannt. «Vor uns hat noch nie jemand den Schlaf von Rentieren mit EEG gemessen», sagte Furrer. Mithilfe von EEG (Elektroenzephalographie) wird die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen werden.
Für die am Freitag im Fachblatt «Current Biology» veröffentlichte Studie reiste Furrer deshalb mit Elektroden und kleinen EEG Geräten, die man sonst für die Schlafmessung von Menschen braucht, nach Norwegen. Diese Elektroden wollten sie den Rentieren der Arctic University of Norway in Tromsø auf den Kopf kleben, um so ihre Gehirnströme zu messen.
«Wir wussten nicht, ob das klappen wird», sagte Furrer. Das tat es aber: «Als ich die erste Aufzeichnung anschaute, dachte ich zuerst, ich hätte aus Versehen eine Aufzeichnung eines Menschen erwischt», so Furrer.
Diese Schlafmessungen führten die Forscherinnen und Forscher zu verschiedenen Jahreszeiten durch. Sie fanden dabei heraus, dass Rentiere im Winter, Sommer und Herbst ungefähr gleich viel schlafen. «Das war unerwartet», sagte Furrer. «Wir haben gedacht, dass sie im Winter, wo sie inaktiver sind und Energie sparen, auch mehr schlafen.»
Die Messungen der Gehirnströme während des Wiederkäuens erklärten, wie es die Rentiere schaffen, trotz erhöhter Aktivität im Sommer an genügend Schlaf zu kommen: Diese sahen aus, als ob sich die Tiere im Tiefschlaf befinden würden. «Rentiere sparen also Zeit, indem sie ihren Schlaf und Verdauungsbedarf gleichzeitig decken», erklärte Furrer. (SDA)