Seit über fünf Wochen, genauer seit dem 13. März, hat es kaum mehr geregnet. Kommt dazu, dass die Verdunstung sehr hoch ist. Einerseits weil die Sonne täglich vom Himmel scheint und dabei kaum von Wolken verdeckt wird. Sie entzieht dem Boden im Mittelland Feuchtigkeit. Andererseits herrschen ungewöhnlich milde Temperaturen: Der März dieses Jahres war im Schnitt 0,8 Grad Celsius wärmer als im langjährigen Mittel von 1981 bis 2010. Eine kräftige Bise trocknete den Boden im Norden zusätzlich aus. Die Waldbrandgefahr steigt, in vielen Kantonen gilt deshalb ein Feuerverbot.
Das schürt Befürchtungen, dass der kommende Sommer – erneut – überdurchschnittlich trocken und warm wird. Denn Verdunstung trägt zu tieferen Temperaturen bei. Doch wenn die Böden bereits im Frühling trocken sind, ist die Verdunstung im Sommer gering und kann ihre kühlende Wirkung nicht entfalten. Nach 2003 und 2015 war der Sommer 2018 der drittwärmste seit Messbeginn im Jahr 1864. Hitze und Trockenheit hatten gravierende Auswirkungen: Ungefähr 200 Todesfälle mehr als üblich forderte der Hitzestress. Auch im Wald hinterliess die Trockenheit deutliche Spuren, vielerorts verfärbten sich die Laubbäume bereits im Juli.
Jan Seibert, Professor für Hydrologie und Klima an der Universität Zürich, verrät in einem Interview, was der Winter mit der Trockenheit im Sommer zu tun hat, welche Risiken existieren und weshalb die Lage momentan noch nicht prekär ist.
BLICK: Herr Seibert, wann spricht man von einer Trockenperiode?
Jan Seibert: Kommt darauf an, was man meint. Man unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Trockenperioden. Einerseits ist es natürlich trocken, wenn es längere Zeit nicht geregnet hat, was wir als meteorologische Trockenheit bezeichnen. Dann gibt es die hydrologische Trockenheit, wenn wenig Wasser in den Flüssen fliesst. Als landwirtschaftliche Trockenheit gilt, wenn die Böden trocken sind.
Auf welche Art ist es denn im Moment trocken?
Die meteorologische Trockenheit herrscht sicher vor. Die Böden sind jetzt auch grösstenteils trocken, weil es lange nicht regnete, es schon wärmer geworden ist und ordentlich geweht hat. Das ändert sich allerdings, wenn man auf über 1300 Meter steigt, wo noch bis vor kurzem Schnee lag: Da sind die Böden recht matschig. Vom Grundwasser her befinden wir uns momentan noch nicht in einer speziell trockenen Situation: Es hat etwas weniger als im Normalfall, aber nicht extrem. Im Februar hatten wir höhere Grundwasserstände als normalerweise. Das hängt teilweise damit zusammen, dass wir einen Winter hatten, in dem sehr viel Niederschlag in Form von Regen vom Himmel kam und daher gleich in die Grundwasservorräte geflossen ist.
Im April ist es normalerweise eher nass. Was bedeutet es, wenn es im Frühjahr nicht regnet?
Es gibt immer wieder unterschiedliche Perioden, in denen es mal mehr, mal weniger regnet. Nun hat es mehrere Wochen nicht geregnet. Was jetzt aber dazukommt, ist, dass wir einen Winter mit relativ wenig Schnee hatten. An vielen Stellen ist der früh weggeschmolzen. Gerade um diese Zeit, wo das Pflanzenwachstum anfängt, fehlt da potenziell Wasser. Das ist momentan noch nicht tragisch. Wenn es jedoch weiterhin so trocken bleibt, fehlt das Wasser fürs Wachstum und es wird im Sommer noch extremer trocken. Für das nächste Wochenende ist Niederschlag vorhergesagt. Das sind wahrscheinlich nur geringe Mengen. Wenn es jetzt zwei Wochen lang mal ordentlich regnete, würde sich die Situation normalisieren.
Wann müsste es spätestens regnen, damit ein extrem trockener Sommer verhindert wird?
Wenn es zwischen jetzt und Juli noch mehrmals kräftig regnet, würde das ausreichen. Ob das in der nächsten Woche oder erst etwas später passiert, ist nicht so entscheidend. Besorgniserregend ist weniger, dass es jetzt trocken ist, sondern eher, dass der Winter so schneearm war. Momentan fliesst in den Alpen mehr Wasser ab als normalerweise, weil die Schneeschmelze schon früher als in anderen Jahren im Gange ist. Der Schneespeicher war dieses Jahr sehr gering. Das, kombiniert mit wenig Niederschlag im Frühling, führt dann zu Niedrigwasser im Sommer. In der Schweiz ist es so: Wenn man sich anschaut, wie trocken es im Sommer gemäss unseren Flüssen ist, ist das etwa zur Hälfte abhängig vom Niederschlag zwischen jetzt und dem Sommer und zur Hälfte davon, wie viel Schnee im Winter lag. Wenn das Jahr schon mit wenig Schnee beginnt und dann noch wenig Niederschlag dazukommt, dann könnte es sehr trocken werden.
Was beeinflusst die Trockenheit in nächster Zeit am meisten?
Wenn es tatsächlich am nächsten Wochenende regnet, sind die Mengen wahrscheinlich gering. Der Boden wird dann zwar wieder feucht aussehen, aber es gelangt wenig Wasser in die Grundwasserspeicher. Um den fehlenden Schnee auszugleichen, bräuchte es richtig grosse Niederschlagsereignisse, bei denen auch viel Wasser zum Grundwasser weitersickert. Wenn es immer nur ein paar Millimeter pro Tag regnet, ist das, wie wenn man einen Schwamm benetzen würde, von dem das Wasser wieder verdunstet, aber unten nichts raustropft. Von daher wird es sehr wichtig sein, wie gross die Niederschlagsmengen sind.
Kann man zum jetzigen Zeitpunkt bereits eine Prognose machen, wie der Sommer wird?
Ich würde nicht viel Geld darauf wetten, wie der Sommer wird, das ist zu unsicher. Aber wenn ich Geld setzen müsste, dann würde ich sagen, es wird trockener. Weil der Schneespeicher wie gesagt eine gewisse Voraussetzung ist. Bei der Voraussage kommt es auf die meteorologischen Modelle an. Und die sind zwar mittlerweile besser geworden, aber jenseits von zehn Tagen sind sie, gerade was den Niederschlag angeht, doch noch mit grosser Unsicherheit behaftet.
Die letzten beiden Sommer waren bereits relativ trocken. Darunter haben die Wälder gelitten. Sterben unsere Bäume komplett ab, wenn dieser Sommer auch trocken wird?
Wiederholter Stress ist für Bäume problematisch. Andererseits war der Winter etwas wärmer. Es könnte sein, dass die längere Saison den Bäumen geholfen hat. Es gibt auch die Überlegung, dass sich ein Baum an solche Umstände gewöhnt. So hat vielleicht die Trockenheit vor zwei Jahren dazu geführt, dass ein Baum noch weitere Wurzeln gebildet hat, die ihm jetzt helfen. Die Frage ist, ob sich die Trockenperioden akkumulieren und dem Baum jedes Mal mehr schaden oder ob sie eher zur Anpassung führen. Das ist sehr artspezifisch.
Gibt es Massnahmen, die man ergreifen könnte, um die Trockenheit zu lindern?
Es gibt genug Wasser, es fliesst aber im Fluss und ist nicht auf den Äckern. Weil es in der Schweiz relativ viel regnet, ist die Infrastruktur zur Bewässerung in der Landwirtschaft weniger ausgebaut als in anderen Ländern. Nach 2018 haben Landwirte vermehrt in Bewässerungsmöglichkeiten investiert. Die Bewässerung ist eine Möglichkeit, trockene Böden auszugleichen. Dadurch entstehen wieder andere Probleme: Es kann dazu führen, dass man zu viel bewässert und die Grundwasserspiegel dadurch absinken. Das ist also kein Allheilmittel. Aber um einzelne trockene Sommer zu kompensieren – insbesondere für Pflanzen, die sehr wasserabhängig sind, wie zum Beispiel Tomaten –, kann es durchaus sinnvoll sein.
Warum ist eine Dürre in der Schweiz gefährlich?
Wenn es so trocken bleibt, herrscht Waldbrandgefahr. Gerade im Frühling kommen die gut brennbaren, trockenen Gräser unter dem Schnee hervor. Und ausserdem ist die Landwirtschaft in der Schweiz sehr regenabhängig. Der Wald und die Landwirtschaft sind die beiden Hauptbetroffenen. 2018 kam eine Einschränkung im Schifftransport hinzu. Die Schweiz importiert über den Rhein bei Basel viele Güter. Wenn es wieder so trocken wird und der Abfluss im Rhein sinkt, können die grossen Schiffe nicht fahren. Damit ein Einfluss auf die Trinkwasserversorgung in der Schweiz spürbar würde, müsste es hingegen schon sehr trocken werden. Einzelne kleinere Gemeinden könnten eventuell Probleme kriegen. In Zürich könnte dann Wasser aus dem Zürichsee einen Mangel an Quell- und Grundwasser ausgleichen.
Wie ordnen Sie die momentane Trockenheit im Rahmen des Klimawandels ein?
Es passt ins Bild: Schneearme Jahre und längere Trockenperioden werden im Zuge des Klimawandels vorhergesagt. Einzelne Jahre sind allerdings wenig aussagekräftig. Es gab früher auch schon trockene Jahre. Deshalb muss man vorsichtig sein, wenn man sagt, was wir jetzt sehen, sei Klimawandel. Es könnte nächstes Jahr wieder ganz feucht werden oder schon in zwei, drei Wochen viel regnen – und der Klimawandel findet genauso statt.
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