Am Anfang war das Nichts. Dann, vor rund 13,8 Milliarden Jahren, waren da Zwillingsschwestern: Die Materie und die Antimaterie. Sie existierten nur kurz zu gleichen Teilen, ehe sie damit begannen, sich gegenseitig zu vernichten. Die Materie gewann offensichtlich, denn aus ihr besteht das heutige Universum, unsere Welt und alles, was wir heute kennen.
Die Verliererin, die Antimaterie, blieb indes nur in Spuren zurück. Warum sie 0:1 verlor, bleibt bis heute ein Rätsel. Ebenso, warum sie nicht komplett vernichtet wurde. Denn das sogenannte Standardmodell der Teilchenphysik schreibt den beiden Gegensätzen eine perfekte Symmetrie zu. Offensichtlich fehlt also ein Puzzleteil, das dieses Ungleichgewicht von Materie und Antimaterie erklären könnte. So oder so: Antimaterie ist wichtig für die Wissenschaft. Zeit also, sie näher kennenzulernen.
Annäherung an die Antimaterie
Antimaterie. Sind Sie kein Physiker, denken Sie bei diesem Wort vielleicht zuallererst an Science-Fiction. Womöglich an fiktionale Raumfahrtpiloten, die mit ihren Kanonen ganze Planeten vernichten können – allein durch eine Munitionsladung Antimaterie.
Natürlich ist an der Weltraum-Fantasy vieles reine Fiktion, aber zumindest existiert sie, die Antimaterie. Etwa im All, von wo aus sie in winzig kleinen Mengen auf die Erde hagelt, in Form von kosmischer Strahlung. Antimaterie kann auch bei radioaktivem Zerfall von Materie entstehen und sogar künstlich hergestellt werden, um daran zu forschen. Am Cern zum Beispiel. Dort jagen Quantenphysiker Antimaterie durch einen Teilchenbeschleuniger.
Die unterschiedliche Ladung
Doch woraus besteht Antimaterie eigentlich? Das «anti» – was soviel wie «gegen(über)» heisst – verrät es schon: Antimaterie ist das Gegenstück von Materie. Jedes materielle Atom setzt sich aus Protonen, Neutronen und Elektronen zusammen (diese haben noch kleinere Bausteine, aber das lassen wir für diese Erklärung jetzt mal weg). Und jedes dieser Elementarteilchen hat ein Gegenstück, ein sogenanntes Antiteilchen.
Nehmen wir das Positron als Beispiel, das Antiteilchen des Elektrons. Ein Unterschied zwischen den zweien ist ihre Ladung: Da das Elektron negativ geladen ist, trägt sein Gegenspieler eine positive Ladung. Kollidieren sie – ähnlich wie damals beim Big Bang – im Teilchenbeschleuniger miteinander, vernichtet sich das Paar gegenseitig. Übrig bleibt Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung.
Neues aus dem Quantenlabor
Abgesehen von ihrer Ladung sind sich Materie und Antimaterie aber in vielerlei Hinsicht ähnlich. Zum Beispiel ist deren Masse identisch, und die Antiteilchen der Elektronen, die Positronen, agieren in vielem ähnlich wie ihre materiellen Gegenspieler. Vor Kurzem haben Schweizer und Mailänder Forschende eine weitere Gemeinsamkeit gefunden. Sie konnten nachweisen, dass sich Antimaterieteilchen – in diesem Fall Positronen – wie ihr Materie-Pendant nicht nur wie Teilchen, sondern auch wie Wellen verhalten. Dieses Verhalten wurde für Licht bereits im 17. Jahrhundert entdeckt.
Der Nachweis des sogenannten Welle-Teilchen-Dualismus für Antimaterie macht Physiker nicht ohne Grund euphorisch. Denn laut einer Mitteilung der am Projekt beteiligten Universität Bern ebnet diese Erkenntnis den Weg für ein neues Untersuchungsfeld in der Antimaterie-Forschung. Und könnte vielleicht bald das Geheimnis um das ungleiche Schwesternpaar lüften.
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