Wenn das Ende einer Beziehung so wehtut, dann will ich keine mehr eingehen! Haben Sie das auch schon gesagt – und sich dann doch wieder Kopf über Hals in jemanden verliebt? Keine Sorge, das geht allen so. Wir können nicht wirklich etwas dafür. Unser Hirn ist schuld. Hat das Vis-à-vis erst einmal unsere Dopaminausschüttung in Gang gesetzt, ist es zu spät. Wir sind unseren Trieben ausgesetzt. Man kann dann nur noch hoffen – und sich natürlich beteiligen –, dass das Ganze gut verläuft.
Aber die Liebe bringt eben nicht nur das grösste Glück, sondern auch den grössten Schmerz. «Nie ist man so verletzlich, als wenn man liebt», sagte Sigmund Freud. Und nie ist man so einsam wie nach einer Trennung. Aus einem glücklichen Wir wird plötzlich ein einsames Ich. Wie sich das anfühlt, schildern Betroffene anonym.
Ich habe mich leer und traurig gefühlt. Es war wie gescheitert sein. Als hätte ich versagt.
Für uns ist Liebeskummer eine Emotion. Eine Mischung aus Wut, Trauer, Ohnmacht, Verzweiflung und Antriebslosigkeit. Liebeskummer tut weh. Aber er kann Menschen auch verrückt machen. Oder sogar umbringen. Nur der Tod einer nahestehenden Person ist emotional belastender als eine Trennung vom Partner.
Ich brannte innerlich unlöschbar. Die Welt rundum nahm ich nur noch dumpf war. Alles war auf diesen Verlust zentriert. Erster Gedanke: Kann nicht sein. Es gibt eine Lösung. Dieser Gedanke begleitete mich Monate. Und mit ihm die immer stärker werdende Gewissheit, dass ich damit falsch lag.
Mit dem Liebeskummer beschäftigt sich mittlerweile auch die Wissenschaft: Neurowissenschaftler, Kardiologen und Soziologen suchen nach der Erklärung, wieso wir derart an der Liebe leiden. Fast alle Menschen verlieben sich im Lauf ihres Lebens in jemanden, der die Liebe nicht erwidert – oder irgendwann nicht mehr erwidert. Man kann also sagen: Niemand überlebt die Liebe unbeschadet.
Ich habe nicht viel geredet, viel geweint und immer wieder dieselbe Frage gestellt: «Habe ich etwas falsch gemacht?» Anfangs dachte ich oft: Er wird sich schon noch melden. Es sind einige Monate vergangen, dann überwiegte die Wut.
Was in unserem Hirn geschieht, wenn wir verlassen wurden, wollte die amerikanische Anthropologin Helen Fisher wissen. Sie schickte frisch Getrennte in den Computertomografen und überprüfte ihre Hirnaktivitäten. Fisher bewies, Liebeskummer verursacht körperlichen Schmerz und aktiviert jene Hirnregion, die für physisches Leiden zuständig ist. Ausserdem treten im Hirn eines Verlassenen die gleichen Aktivitätsmuster auf wie bei Drogensüchtigen. Fisher sagt: Liebe ist wie Kokain. Verlassene agieren wie Süchtige, und Liebeskummer ist wie ein Drogenentzug.
Geweint. Getrauert. Abgekapselt. Pläne geschmiedet, wie alles wieder gut wird. Briefe geschrieben, in der dämlichen Hoffnung, dass sie alles ändern werden. Solange ich was zu tun hatte, bei der Arbeit oder bei einem Hobby, kam ich klar. Aber wie mal einer sagte: Irgendwann kommt der Feierabend. Und der Feierabend war ein Feind. Weil es dann wieder nur den einen grossen Schmerz gab.
Der Schmerz, so Fisher, ist die biologische Antwort darauf, dass wir gerade die Möglichkeit verloren haben, uns fortzupflanzen. Fisher entzaubert die romantische Liebe nahezu, wenn sie sagt: «Verliebtheit ist keine Emotion, sondern ein Trieb.»
Das Herz tat weh. Mir war öfter schlecht. Ich ass schlecht. Hatte keinen Hunger.
Die Emotionsverarbeitung im Hirn wirkt sich auf unser Herz aus. Unser Herz leidet nicht nur sinnbildlich, sondern kann tatsächlich physisch in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn die Trennung ein derart belastendes Erlebnis ist, kann es zu Atemnot und Brustschmerzen kommen. Im schlimmsten Fall bricht das Herz. Kardiologen nennen dieses noch wenig bekannte Phänomen «Broken-Heart-Syndrom». Die Erkrankung kann lebensgefährlich sein. Durch den Schock aufgrund einer Trennung oder eines Todesfalls kann es zu einer Schädigung des Herzmuskels kommen. Die Folge: akute Pumpfunktionsstörung. Die Symptome ähneln denen eines Herzinfarkts, deshalb wird die Erkrankung oft nicht erkannt. Es betrifft vor allem Frauen (90 Prozent!) ab 65 Jahren.
Ich bin sofort weggefahren. Ich konnte nicht allein sein. Wenn ich allein war, wollte ich nicht mehr atmen. Nicht mehr sein.
Führend in der Erforschung dieses Phänomens ist Christian Templin vom Universitätsspital Zürich. Der Kardiologe baut mit 2300 Patienten aus 50 Ländern das grösste Register auf, um Diagnose- und Therapierichtlinien zu erarbeiten. Heute kann man dieser Herzerkrankung nicht entgegenwirken, sagt Templin. Gemäss Untersuchungen könnte ein ein Betablocker, also ein Medikament, das die Wirkung des Stresshormons Adrenalin und den Neurotransmitter Noradrenalin hemmt, helfen. Denn es gilt, das Herz in der akuten Phase vor Stress zu schützen. Das hat sich bisher nicht bestätigt. Während bei einem Herzinfarkt Gewebe abstirbt und sich Narben bilden, heilt das Herz beim Broken-Heart-Syndrom komplett. Nach kurzer Zeit ist die Pumpfunktion wie vorher.
Für den Grossteil der Liebes-kranken fühlt es sich zumindest so an, als ob das Herz kaputt sei. Man fragt sich nach jeder Entäuschung wieder: Wie viel muss mein Herz noch aushalten? Natürlich ist es nicht immer der ganz grosse Kummer. Doch auch Tinder-Körbe oder eine kalte Schulter in einer Bar können unser Herz anritzen – und es schliesslich ausbluten lassen.
Nach der ersten schlimmen Phase, in der ich mich nur verkriechen wollte, bin ich in den Feiermodus über. Viel Ausgang, viel Alkohol. Problem: Am nächsten Tag war es meist schlimmer. Auf andere Männer hatte ich vier bis fünf Monate keine Lust.
Liebeskummer ist ein Thema unserer Zeit. Während die heutigen 30-Jährigen im Schnitt über drei Beziehungen hinter sich haben – also auch Trennungen –, heiratete man früher mit Anfang 20. Was natürlich nicht heisst, dass einem das keinen Kummer bereitete. Aber die Partnersuche beschäftigt einen heute mehr als früher. Das bestätigt auch eine Flut von mehr oder weniger seriösen Beziehungsratgebern. Darin wird Liebesschmerz als individuelles Problem angesehen, das jeder für sich lösen kann und muss. Aber Verlieben und Verlassen kann auch aus einer soziologischen Sicht betrachtet werden. Da spielt nicht das Individuum die zentrale Rolle beim Scheitern, sondern die gesellschaftlichen Bedingungen der jeweiligen Zeit.
Die bekannteste Soziologin, die sich mit dem Liebesleben der Moderne beschäftigt, ist die Israelin Eva Illouz. Aber Achtung, wer ihre Bücher liest, fühlt sich danach nicht unbedingt besser. In ihrem Buch «Warum Liebe weh tut» erklärt die 57-Jährige, warum das grosse Leiden an der Liebe ein soziologisches Phänomen ist. In ihrem aktuellen Buch «Warum Liebe endet» (Ende Oktober erschienen) schreibt Illouz, dass der Kapitalismus mit seinen unbegrenzten Angeboten mittlerweile in unser Liebesleben vorgedrungen ist. Tinder, Parship: Der digitale Supermarkt der Liebe bietet die absolute Wahlfreiheit. Doch gefährdet die Freiheit die Möglichkeit, substanzielle und feste Beziehungen einzugehen?
Während die Anthropologin Fisher im Zögern, Abwägen und in langen Kennenlernphasen Hoffnung auf stabilere Partnerschaften sieht, zeichnet Illouz ein eher düsteres Bild für die moderne Beziehung und sieht sie gar bedroht: Beziehungen seien unsicher geworden und scheiterten schneller. Weil bestimmte Normen und Werte fehlen, gebe es keine Orientierung. Früher war die Heirat das Ziel, heute kann es ein «Spontanfick», eine Liaison oder dann eben doch nichts sein. Diese Normlosigkeit bringe Chaos mit sich und ende häufig in Enttäuschungen.
Die Soziologin macht dafür auch das Internet verantwortlich. In der Beilage «Bücher am Sonntag» erklärt sie, dass Dating-Apps wie Tinder mit ihrem Überfluss an Wahlmöglichkeiten zu einer Entwertung der Personen führe. Das Internet begünstige die rasche Verfügbarkeit, und das Netz privilegiere eine schnelle Sexualität mit häufigem Partnerwechsel.
Ich habe sofort alle Gruppen, in denen wir auf Whatsapp zusammen waren, verlassen, unseren Kontakt in den sozialen Medien gelöscht. Habe alle Bilder auf dem Handy gelöscht. Natürlich habe ich hin und wieder gestalkt.
Können wir denn unser Herz nicht trainieren? Wird es nicht abgestumpfter nach jeder Trennung? Diese Frage kann man gemäss Experten nicht pauschal beantworten. Die einen sagen: Wir stumpfen nicht ab, im Gegenteil, wir werden von mal zu mal verwundbarer. Ein deutscher Therapeut sagte den treffenden Satz: «Der Seele wächst keine Hornhaut, leider.» Wenn man scheitert, fühlen Verlassene oft nicht nur den Schmerz der aktuellen Trennung, sondern dazu noch den der vorangegangenen Trennungen. So summiert sich das Leid, und man verliert das Vertrauen. Man sieht bloss eines: das Scheitern.
Nach drei Monaten wurde es besser, aber heute, nach fünf Monaten, habe ich immer noch schlechte Phasen. Ich fürchte, das wird auch so bleiben, bis ich mich neu verliebe.
Überall entwickelt sich der Mensch. Er macht Fehler, lernt daraus und wiederholt ihn nicht mehr. Ausser in der Liebe. Auch wenn wir in Beziehungen sind, merken wir früh, woran wir beim anderen sind. Dennoch sind wir immer wieder unfassbar überrascht, wenn es knallt – und unser Herz bricht.
Unser Hirnsystem können wir nicht austricksen. Aber die Anthropologin Fisher glaubt sehr wohl, dass wir aus Erfahrungen lernen und uns anders verhalten können. Vielleicht wäre ein richtig fieser Liebeskummer die beste Lernstrategie. Wer einmal schon schmerzhaft ein Wir entflochten hat, weiss, dass es vorübergeht.
Ich hatte zweimal richtig Kummer. Einmal, als ich eine Beziehung beendet habe. Einmal, als ich verlassen wurde. Beides war uncool. Aber wenn ich wählen muss, dann verlasse ich lieber, als verlassen zu werden. Der Schmerz ging schneller vorbei.
Ein Wiener Psychiater sagt gar, Liebeskummer sei gesund. Er sei wichtig, um den Schmerz richtig zu verarbeiten. Wir sollen uns Liebeskummer eingestehen. Das sei eine gesunde Reaktion. Und: Es sei viel eher bedenklich, wenn man nach einer Trennung keine Trauer empfinde. Das könnte darauf hindeuten, dass der Betroffene ein anderes psychisches Problem hat.
Therapeuten sind sich einig: Im Normalfall ist keine professionelle Hilfe nötig. Man müsse ehrlich sein zu sich selbst und den Kummer aushalten. Jeder auf seine Art. Egal, ob Alkohol, Sport oder melancholische Lieder von Philipp Poisel – wir werden sowieso nie Profis im Verlust.
«Liebe ist eine natürliche Sucht, die fast alle Menschen erfahren», sagt Anthropologin Helen Fisher. Das heisst: Alle Menschen gehen durch dieses Leid, das man jetzt spürt. Das solle man sich vor Augen halten. Fisher vergleicht Liebeskummer mit einem Entzug. Versucht ein Alkoholkranker, mit dem Trinken aufzuhören, stellt er auch keine Flasche Wodka auf den Tisch. Daher ist das Wichtigste: Alles raus! Fotos, Briefe und Nachrichten, die an die Person erinnern, eine Weile ausser Reichweite schaffen. Alle Bindungen zum Ex-Partner abbrechen, da er die Droge für den Liebeskranken ist. Die Person nicht kontaktieren – damit traumatisiert man sich immer wieder aufs Neue. Auch wenn es schwer fällt, sollte man neue Dinge unternehmen. Das lenkt ab und erhöht den Dopaminspiegel. Viel Zeit mit Freunden verbringen, raus an die frische Luft: spazieren oder laufen. Man sollte die Beziehung nicht zu Tode analysieren, aber für die Zukunft hilft es, die Trennung zu verstehen und Lehren zu ziehen. Ein positiver Neuanfang kann nur gelingen, wenn man sich mit der Trennung innerlich versöhnt und sie akzeptiert.
Und wir sollten uns immer wieder klarmachen, dass wir die Hauptfigur einer Heldengeschichte sind. Schliesslich sind wir mutig und glauben an die Liebe. Vielleicht müssen wir uns öfter sagen: Je schneller wir den Kummer überstehen, desto offener sind wir für neue Menschen. Und das Gute ist ja: Wenn wir neue Menschen treffen, sind deren Herzen auch nicht mehr unversehrt. Denn: Liebe übersteht niemand unversehrt.
Man muss den Liebeskummer aushalten und durchstehen. Daran führt kein Weg vorbei. Und wenn Floskeln fallen wie: «Andere haben auch schöne Töchter oder Söhne», «Schau jetzt mal ein bisschen auf dich», «Beziehungen sind auch nicht immer super» oder «Es wird besser», sehen Sie darüber hin-weg. Man kann wirklich nicht viel dazu sagen. Sie müssen da (fast) allein durch. «Zeit heilt alle Wunden», ist übrigens kein dummer, dahergesagter Spruch, sondern wissenschaftlich bewiesen. Zeit heilt!
«Liebe ist eine natürliche Sucht, die fast alle Menschen erfahren», sagt Anthropologin Helen Fisher. Das heisst: Alle Menschen gehen durch dieses Leid, das man jetzt spürt. Das solle man sich vor Augen halten. Fisher vergleicht Liebeskummer mit einem Entzug. Versucht ein Alkoholkranker, mit dem Trinken aufzuhören, stellt er auch keine Flasche Wodka auf den Tisch. Daher ist das Wichtigste: Alles raus! Fotos, Briefe und Nachrichten, die an die Person erinnern, eine Weile ausser Reichweite schaffen. Alle Bindungen zum Ex-Partner abbrechen, da er die Droge für den Liebeskranken ist. Die Person nicht kontaktieren – damit traumatisiert man sich immer wieder aufs Neue. Auch wenn es schwer fällt, sollte man neue Dinge unternehmen. Das lenkt ab und erhöht den Dopaminspiegel. Viel Zeit mit Freunden verbringen, raus an die frische Luft: spazieren oder laufen. Man sollte die Beziehung nicht zu Tode analysieren, aber für die Zukunft hilft es, die Trennung zu verstehen und Lehren zu ziehen. Ein positiver Neuanfang kann nur gelingen, wenn man sich mit der Trennung innerlich versöhnt und sie akzeptiert.
Und wir sollten uns immer wieder klarmachen, dass wir die Hauptfigur einer Heldengeschichte sind. Schliesslich sind wir mutig und glauben an die Liebe. Vielleicht müssen wir uns öfter sagen: Je schneller wir den Kummer überstehen, desto offener sind wir für neue Menschen. Und das Gute ist ja: Wenn wir neue Menschen treffen, sind deren Herzen auch nicht mehr unversehrt. Denn: Liebe übersteht niemand unversehrt.
Man muss den Liebeskummer aushalten und durchstehen. Daran führt kein Weg vorbei. Und wenn Floskeln fallen wie: «Andere haben auch schöne Töchter oder Söhne», «Schau jetzt mal ein bisschen auf dich», «Beziehungen sind auch nicht immer super» oder «Es wird besser», sehen Sie darüber hin-weg. Man kann wirklich nicht viel dazu sagen. Sie müssen da (fast) allein durch. «Zeit heilt alle Wunden», ist übrigens kein dummer, dahergesagter Spruch, sondern wissenschaftlich bewiesen. Zeit heilt!